Interview — Sportfreunde Stiller

»Wir freuen uns, dass wir wieder einen Umgang miteinander haben«

Mit ihrem neuen Album »Jeder nur ein X« melden sich die Sportfreunde Stiller nach vielen Jahren der Abstinenz zurück. Die lange Pause war selbst verordnet, denn die drei Musiker wollten erst mal getrennte Wege gehen. Doch wie das bei guten Freunden so ist, vermisst man sich irgendwann und macht mal wieder was zusammen. Im Fall der Sportis ist daraus gleich eine ganze Platte geworden, die nicht nur ziemlich gute Laune macht, sondern auch deutlich wacher und reflektierter wirkt als frühere Alben. Ein Interview über wildes Experimentieren, einen großen Bruder namens Ibrahimovic und 20 Jahre gemeinsam spielen, saufen und streiten.

11. November 2022 — Interview: Katharina Viktoria Weiß, Text: Jonas Meyer, Fotografie: Frederike van der Straeten

Wie misst man Freundschaft? In Jahren, in Erlebnissen, in Wellenlängen vielleicht? In durchzechten Nächten, in durchgrölten Fußballspielen, in gegenseitigen Patenschaften für den Nachwuchs? Oder einfach nur in der Fähigkeit, sich wieder anzunähern, zusammenzuraufen und in den Arm zu nehmen, wenn man sich für eine ganze Weile aus den Augen verloren hat?

Wenn das der Gradmesser für Freundschaft ist, muss die zwischen Peter Brugger, Florian „Flo“ Weber und Rüdiger „Rüde“ Linhof eine ganz besondere sein. Das Trio, das seit mehr als einem Vierteljahrhundert unter dem Namen Sportfreunde Stiller Deutschpop macht und sich mit Songs wie „Ein Kompliment“, „Applaus, Applaus“ oder „Wunderbaren Jahren“ in die Annalen der Musikgeschichte geschrieben hat, legte nach einem letzten Konzert im Juli 2017 erst mal eine Vollbremsung ein. Oder besser gesagt eine Notbremsung.

Im Podcast „Hotel Matze“ erzählt Peter von den ersten Minuten nach genau jenem Konzert. Alle drei seien nicht happy mit dem Auftritt gewesen und mit gemischten Gefühlen von der Bühne gegangen. Und als man sich gegenseitig in den Urlaub verabschieden wollte, sei das mehr ein Abschied ins Ungewisse gewesen. Er selbst habe dabei schon seit einiger Zeit das Gefühl gehabt, dass er eine Pause brauche. Die Stimmung sei nicht mehr die beste gewesen und der Flow nicht mehr wirklich existent.

Nach einem halben Jahr der Diskussion, wie eine gemeinsame Zukunft aussehen könne, drückte Peter den Exit-Knopf und zog sich ins Private zurück. Das sei ihm sichtlich schwergefallen und habe ihn fast zerrissen, sagt er, auch weil Flo und Rüde weitermachen wollten. Doch er selbst habe an sich den Anspruch gehabt, überhaupt etwas von seiner Familie zuhause mitzubekommen. Und so lag die Band erst mal auf Eis.

Doch wie das in guten Freundschaften so ist, findet man irgendwann wieder zueinander. Pack schlägt sich, Pack verträgt sich, könnte man böse unken – doch Peter, Flo und Rüde ließen es ganz behutsam angehen, näherten sich Stück für Stück wieder an und beschlossen, die Sportfreunde Stiller aus dem künstlichen Koma zu wecken.

Das Ergebnis dieser freundschaftlichen Wiedervereinigung ist das Album „Jeder nur ein X“, das die Band gerade veröffentlicht hat. Nach etlichen Jahren der Enthaltsamkeit klingt die Platte erstaunlich wach und energetisch. Ihr Sound schwingt sich mit einer gehörigen Portion guter Laune ins Ohr. Und die Texte wirken deutlich reflektierter und weiser als in früheren Werken, ohne dabei einen auf strengen Oberlehrer zu machen – eher auf sorgenden Papa.

Musikalisch ist „Jeder nur ein X“ eine wilde Reise durch die Genres. Hört man in dem einen Song deutliche Ska-Elemente heraus, wird man schon im nächsten Track in den Garage Rock der Nullerjahre zurückgeworfen und im übernächsten mit hymnischen Indiepop-Klängen umgarnt.

In einer Filiale des Berliner Herrenausstatters „Rooks & Rocks“ haben wir die Band zum Interview getroffen und – Spoiler Alert – sind mit unseren musikalischen Interpretationsversuchen krachend gescheitert. Spaß hatten wir trotzdem. Und wir glauben, die Sportis auch.

»Der Produzent hatte unser Okay zum wilden Experimentieren in alle Richtungen.«

MYP Magazine:
Eure neuen Songs sind stilistisch sehr verschieden. „Alright“ etwa kommt wie eine gerappte Ska-Nummer daher, bei „Ich scheiß auf schlechte Zeiten“ klingt Ihr wie eine amerikanische Garagenband. Und „Juunge“ erinnert mit seinen Upbeat-Indiepop-Vibes in bisschen an die Nullerjahre. Wir haben eine Hypothese: Ihr habt zuerst die Lyrics geschrieben und dann jeden Text genau mit dem Musikstil versehen, der am besten zum Inhalt passt.

Kollektives Lachen

Flo:
So läuft es eigentlich nie ab. Wir kommen viel schneller auf Instrumentalideen als auf gute Texte. Unserem Empfinden nach hatten wir aber schon immer ein breites Spektrum an musikalischen Stilen und haben uns stets viel erlaubt. Dieses Mal wirkt es vielleicht noch extremer als sonst, da wir mit einem sehr mutigen Produzenten namens Tobi Kuhn zusammengearbeitet haben, dem wir unser Okay zum wilden Experimentieren in alle Richtungen gegeben hatten. Wir alle waren der Meinung, dass uns nach der jahrelangen Pause eine Neuaufstellung ganz guttäte, was den Sound betrifft.

Peter:
Aus meiner Sicht zeigen wir mit dem neuen Album mal wieder, dass wir auch innerhalb der Band verschiedene Vorlieben haben. Ich bin eher so der Pop-Muckel. Flo will es gerne griffig und rockig. Und Rüde ist lost in the 70s, aber mit einer brutalen Offenheit für alles Neue.

Rüde:
Wir wollten bewusst einen Schritt nach vorn machen und uns mit aktuellen Sounds auseinandersetzten. Die Platte sollte modern klingen, gleichzeitig aber auch verspielt bleiben.

»Das ist doch das Schöne an Musik: dass sich jeder das herausnimmt, was seine aktuellen Lebensfragen am besten begleitet.«

MYP Magazine:
Bleiben wir beim Song „Juunge“, der einerseits mit dem für die Nullerjahre so typischen, energiegeladenen Garagensound spielt, andererseits aber in den Lyrics Fragen aufwirft, die aktueller nicht sein könnten, wie etwa Wen oder was liebst du gerade? oder Woran glaubst Du? Dazu fragt der Refrain immer wieder: Bist du immer noch mein Junge? Wer fragt hier eigentlich wen?

Peter:
Dazu gibt es folgende Anekdote: Der Sohn unseres Produzenten postete ein Video, das zeigt, wie er zum ersten Mal einen Backflip mit einem Mountainbike macht. Sein Kumpel feiert ihn dabei mit den Worten (spricht mit langgezogener Stimme): „Du bist eine Juuuuunge!“. Dieser humorvolle Moment hat uns total begeistert und dazu inspiriert, selbst mal herumzuspinnen, was der Begriff „Junge“ für uns eigentlich bedeuten kann. Einige Ersthörer haben uns das Feedback gegeben, dass es bei dem Lied nach ihrem Verständnis um eine Eltern-Kind-Beziehung geht. Aber wir dachten beim Schreiben eher an Kumpels, die ihre erste Lebensphase miteinander bestritten haben und sich nun aus den Augen verlieren. Dabei taucht die Frage auf: „Mensch, wo hat es dich im Leben eigentlich hin verschlagen? Ich habe beste Erinnerungen an dich, wollen wir daran anknüpfen?“

Rüde:
Trotzdem ist es schön zu hören, dass es viele Interpretationsmöglichkeiten für die Zeilen gibt. Das ist doch das Schöne an Musik: dass sich jeder das herausnimmt, was seine aktuellen Lebensfragen am besten begleitet.

»Selbst, wenn man sich mal nicht findet, kann man sich gut finden.«

MYP Magazine:
Der Song „Alright“ dagegen wirkt so, als hättet Ihr ihn einer Person gewidmet, die Euch so richtig nervt. Liegen wir dieses Mal richtig?

Peter:
Ehrlich gesagt haben wir es das Lied weder mit bewusst genervtem oder kritischem Unterton eingesungen. Wir wollten eher einen Menschen beschreiben, der verschiedenste Seiten hat: Manchmal ist er ein Überflieger, manchmal muss er sich das Scheitern eingestehen. Das kenne ich auch von mir persönlich, ich bin immer am Suchen und Finden. So sehr man mit seinen unterschiedlichen Facetten kämpfen kann, am Ende ist es doch heilsam, das Fazit die allumfassende Selbstakzeptanz zu ziehen und seinen Weg zu gehen.

Flo:
Was er sagen will: Selbst, wenn man sich mal nicht findet, kann man sich gut finden.

Peter:
Ihr merkt schon: Es gibt einen Klugen. Und zwei, äh, andere.

»Ibrahimovic dient uns als Metapher für einen großen Bruder, der im Moment der Not zu Hilfe eilt.«

MYP Magazine:
Zu den Kabbeleien kommen wir später, vorher versuchen wir uns an einer letzten Song-Interpretation. In „Ibrahimovic“ könnte es um Menschen gehen, die sich gerne der Realität entziehen. Und das tun sie, indem sie ihr ganzes Leben auf den Fußball ausrichten – oder konkreter gesagt auf ein Sportidol wie Fußballstar Zlatan Ibrahimovic. Ist das Lied eine Kritik am Fantum?

Flo:
Total falsch interpretiert (schaut die anderen beiden an, alle lachen). Aber wir bleiben dabei: Jeder soll gerne das mitteilen, was er beim Hören der neuen Lieder denkt und fühlt. Denn auch ich komme gerade auf Perspektiven, an die ich zuvor noch gar nicht gedacht habe. Allerdings dient uns Ibrahimovic – der nach seinem eigenen Ermessen so eine Art Gottheit ist – in diesem Lied eher als Metapher für einen großen Bruder, der einem im Moment der Not zu Hilfe eilt. Es ist eine Auseinandersetzung mit dem wahnwitzigen Thema Angst.

Peter:
Gleichzeitig ist der Gedanke durchaus berechtigt, dass es auch ein bisschen darum geht, sich der Realität zu entziehen. Jemand, der behauptet, keine Angst zu haben, der verdrängt natürlich etwas und verschließt die Augen. Das ist aber gerade in der heutigen Zeit auch okay. Ich selbst kenne solche Tage, an denen ich mir bewusst keine Nachrichten gebe und gewisse Themen außen vorhalte – damit es mir gelingt, andere Sachen ohne Angst fertig zu bekommen.

»Musik vermittelt in erster Linie ein Gefühl. Und das soll nicht zu weit nach oben in den Kopf rutschen.«

MYP Magazine:
Das Thema Angst spielt auch im Hinblick auf mentale Gesundheit eine immer präsentere Rolle in der öffentlichen Wahrnehmung. Dazu passt auch der Song „Wächter“ mit den Zeilen Der Geist sitzt im Herzen, doch da guckt man nicht rein / Man guckt nur aufs Haus / und auf den bis zur Verzerrung verzierten Schein. Warum inspiriert Euch das Themenfeld zurzeit so?

Flo:
Der Hintergrund hierzu ist, dass ich von einem Musikerkollegen erfahren habe, dass er in der Vergangenheit psychisch schwer erkrankt war, und wir das einfach nicht mitbekommen haben. Wir haben nur von ein paar abgesagten Konzerten erfahren, aber der Zusammenhang ist uns erst seit Kurzem klar. Zum Trost habe ich ihm schnell vier Zeilen gedichtet und geschickt – das ist genau die zitierte Textstelle.

MYP Magazine:
Eure Texte sind kryptischer und lyrisch anspruchsvoller geworden. Das fordert die Zuhörerschaft ein bisschen mehr. Wollt ihr die Beziehung zu Euren Fans auf eine neue Ebene heben?

Flo:
Wir fassen das als Kompliment auf. Der Gedanke ist sehr schön, dass Menschen sich stärker mit unseren Texten beschäftigen können.

Peter:
Da stimme ich zu. Allerdings vermittelt Musik in erster Linie ein Gefühl. Und das soll nicht zu weit nach oben in den Kopf rutschen, sondern weiter intuitiv hier stattfinden (legt sich die Hand aufs Herz).

»Wir gehen heute viel entspannter miteinander um. Und freuen uns, dass wir überhaupt wieder einen Umgang haben.«

MYP Magazine:
Die letzte Album-Veröffentlichung ist sechs Jahre her, „Sturm & Stille“ kam 2016 heraus. Seitdem hat sich die Welt grundlegend verändert – wir sagen nur Trump, Ukraine, Fridays for Future oder Corona. Auch Ihr hattet nach jahrelangem Touren mit turbulenten Zeiten und zwischenmenschlichen Konflikten zu kämpfen. Wie hat das die Art und Weise beeinflusst, wie Ihr heute miteinander umgeht?

Rüde:
Wie wir uns zueinander verhalten, hat sich auf jeden Fall verändert. Und damit auch das Zuhören – und das Zulassen. Wir gehen heute viel entspannter miteinander um. Und freuen uns, dass wir überhaupt wieder einen Umgang haben. Die Pause war irgendwie nötig, denn scheinbar haben wir es nicht mehr miteinander ausgehalten. Und in der Zwischenzeit hat sich einiges bewegt, auch die Nähe zueinander. Dadurch bekommt man als Band auch eine andere Sprache.

Peter:
Ich denke gerade noch darüber nach, ob die äußeren Umstände maßgeblich für inhaltliche Veränderungen bei den Sportfreunden Stiller waren. Oder ob die Bandkrise und unsere Reaktion darauf mehr Einfluss auf das Album hatten. Pandemie und Lockdown haben auf jeden Fall die Sehnsucht gefördert, wieder zusammenzukommen. Ansonsten waren es aber unsere persönlichen Erlebnisse und Erfahrungen aus der Vergangenheit, die dringend eingefordert haben, dass wir Möglichkeiten finden, anders miteinander umzugehen. Ich persönlich habe die gemeinsame Zeit im Studio sowie den kreativen Prozess während der Produktion sehr genossen. Und wie Flo und Rüde bin auch ich sehr gespannt, wie sich alles entwickelt, wenn wir jetzt wieder gemeinsam an die Öffentlichkeit treten.

»Nach 20 Jahren gemeinsam spielen, saufen und streiten war die Energie raus.«

MYP Magazine:
Was war der Grund für Eure mehrjährige Beziehungspause?

Peter:
Nach 20 Jahren gemeinsam spielen, saufen und streiten war die Energie raus.

Rüde:
Innerhalb einer Band, die so in der Öffentlichkeit steht, lernt man auch ganz viel zu überspielen. Die Momente, wenn man einen tollen neuen Song schreibt oder vor einer Menschenmasse auf der Bühne steht, wirken so viel wichtiger und größer als die kleinen Konflikte. Damit lenkt man sich ordentlich davon ab, dass man sich über so viele Jahre eben stark verändert und dass viele persönliche Entwicklungen stattfinden. Wie viele Freundschaften lösen sich innerhalb von zwei Dekaden auf! Aber wir sind immer zusammengeblieben, weil wir so viel haben, was uns zusammenhält. Trotzdem hat es auch uns irgendwann einfach zerrissen.

Flo:
Ich fand die Pause erst mal scheiße. Ich wollte auch nicht akzeptieren, dass sie richtig ist. Jetzt im Nachhinein sehe ich ihre Notwenigkeit aber ein. Vielleicht war dieser Break unsere Rettung. Insofern haben wir uns auch als Band die Frage aus unserem neuen Song gestellt: „Bist du immer noch mein Junge?“ Und ich kann sagen: ja.

»Wir haben viel miteinander gekocht und Wein getrunken.«

MYP Magazine:
Wie habt Ihr die letzten Jahre für Euch persönlich genutzt?

Rüde:
Ich durfte die Erfahrung machen, mal in Arbeitsbereiche abseits der Musikbranche zu schauen. Ich habe mir verschiedene Aufgaben gestellt und gelernt, dass ein Bürojob absolut nichts für mich wäre. Ich hatte das Glück, mich viel damit beschäftigen zu können, wer ich bin und wie ich so ticke. Und hier und da konnte ich auch feststellen, dass ich manchmal ganz schön scheiße bin.

Flo:
Dafür hättest du keine Ausbildung machen müssen, da hättest du einfach schnell anrufen können.

Rüde:
Von euch habe ich das immer gehört, aber ihr wart ja nicht mehr da. Scherz beiseite: Ich glaube, wir alle konnten uns das erste Mal seit Jahren wieder mit anderen Dingen beschäftigen und wirklich in die Tiefe gehen. Davor bestand unser Leben aus Studioaufnahmen, dann ging es ab in den Nightliner, aus dem man irgendwann wieder ausstieg und bejubelt wurde. Und dann ging das Ganze wieder von vorne los.

Flo:
Ich habe das Zweimannprojekt „Taskete!“ gestartet und solo unter dem Namen „MS Flinte“ Musik veröffentlicht. Dann habe ich meinen dritten Roman „Die wundersame Ästhetik der Schonhaltung beim Ertrinken“ geschrieben, der Mitte März bei Heyne erschienen ist.

Peter:
Ich war vor allem Hausmann und Daddy, es war also eine Zeit des Rollentauschs. Und dann ging es mitten in der Corona-Pandemie wieder mit den Sportfreunden los.

Rüde:
Aufgrund unseres Berufs hatten wir das große Glück, auch im Lockdown zusammenkommen zu dürfen. Wir haben viel miteinander gekocht und Wein getrunken. Ich habe es total gefeiert, einfach Musikinstrumente aufzubauen und Lärm zu machen. Wir hatten in dieser Einsamkeit des Lockdowns die Zeit, Dinge ganz in Ruhe entstehen zu lassen. Und so krank das auch klingen mag: Wir hatten deshalb auch einige sehr schöne und kreative Momente innerhalb der Isolation.

»Wir haben so viel an der Backe und wenig eigene Haltung.«

MYP Magazine:
Fußball und die Sportfreunde, das war lange ein tolles Match für Feierlaune. Nun ist auch der Fußball längst keine isolierte Welt mehr, in die man sich verkriechen kann: Die Menschenrechts-Verletzungen in Katar, der Aufstand der Bayern-Fans gegen den Sponsor Qatar Airways, der Rückzug von Gazprom aus dem Fußball-Sponsoring, und so weiter, und so weiter. Ist es aufgrund der vielfältigen Themen nicht eine wichtige und relevante Zeit, um eine Fußballband zu sein?

Rüde:
Ich betrachte das gar nicht aus der Perspektive des Fußballs. Das sind Themen, die darüber hinaus unfassbar wichtig sind: Was bedeutet es, in Frieden zu leben? Was müssen wir tun, um diesen Frieden behalten zu können? Inwiefern müssen wir lernen, kritisch und komplex zu denken? Wir haben Klimawandel und Friedenspolitik, Nachkriegsordnung und Nah-Ost-Konflikt. Wir haben so viel an der Backe und wenig eigene Haltung. Wir schauen auf die isolierten Probleme mit der Lupe, anstatt als europäische Gesellschaft nach Lösungen zu suchen. Entschuldigt den Monolog, aber gerade nach Corona wird es immer wichtiger für uns alle, wieder die Lupenperspektive zu verlassen und gemeinsam über Zukunft und Koexistenz zu sprechen. (Kurze Pause, dann ein Schmunzeln) Aber ich liebe natürlich auch den Fußball.