Interview — Ludwig Simon

Zeit der Veränderung

Im Kino ist Ludwig Simon gerade im Wendedrama »Im Niemandsland« zu sehen – und auf Netflix in der Serie »Wir sind die Welle«. Wir haben den 21-jährigen Schauspieler in New York City getroffen, wo er sich zur Zeit an einer Schauspielschule weiterbildet.

7. November 2019 — MYP N° 27 »Heimat« — Interview & Text: Jonas Meyer, Fotos: Danny Jungslund

Wie fühlt sich eine Zeit an, die in unzähligen Familien erzählt, in unzähligen Geschichtsbüchern abgehandelt und in unzähligen Filmen aufbereitet wird? Und die am Ende doch nicht wirklich greifbar wird, wenn man sie selbst nicht erlebt hat?

Die Zeit um die Wende ist so eine. Als am Abend des 9. November 1989 die Mauer fiel, hatten sich Millionen von DDR-Bürgern nicht nur friedlich ihre Freiheit erkämpft. Sie waren auch damit konfrontiert, dass das Land, in dem sie geboren und aufgewachsen waren, in dem sie ihren Schulabschluss gemacht hatten, in dem sie einen Arbeitsplatz fanden, in dem sie geheiratet hatten, in dem sie Eltern und Großeltern wurden, in dem sie in Rente gingen, dass dieses Land ein knappes Jahr später nicht mehr existieren sollte. Was das mit 16 Millionen Menschen macht, diese Frage wurde im vereinten Deutschland viel zu spät gestellt – und ist heute, 30 Jahre nach dem Mauerfall, brennender als je zuvor.

Dass mit dem Fall der Mauer nicht plötzlich alles gut wurde, vor allem nicht im Privaten, damit beschäftigt sich Regisseur Florian Aigner in seinem neuen Film „Im Niemandsland“. Der Streifen, der ab dem 7. November in den Kinos laufen wird, spielt im Berlin des Sommers 1990 und erzählt eine klassische Liebesgeschichte à la „Romeo und Julia“, in deren Zentrum die Teenager Thorben und Katja stehen. Thorben, gespielt von Ludwig Simon, ist im Ostteil der Stadt aufgewachsen und lebt mit seiner Familie seit Jahren in einem Haus, auf das Katjas Vater Anspruch erhebt. Dieser wuchs selbst in diesem Haus auf, musste es aber im Kindesalter verlassen, als seine Familie vor dem SED-Regime in den Westen floh. Nach der Flucht wurde die Familie enteignet, das Haus ging in sogenanntes Volkseigentum über und wurde Thorbens Eltern zugesprochen.

Wie also umgehen mit so einer ungeklärten Situation? Die „Gemeinsame Erklärung der Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik zur Regelung offener Vermögensfragen vom 15. Juni 1990“ fand eine Antwort – und etablierte den Grundsatz „Rückgabe vor Entschädigung“. Eine gesetzliche Chance für Katjas Vater, sein Elternhaus zurückzugewinnen. Und eine Katastrophe für Thorben und seine Familie, das langjährige Zuhause zu verlieren. So bricht der Film einen bürokratischen Sachverhalt auf die individuelle Ebene herunter, auf der – neben dem Übergang in einen neuen Staat und eine neue Gesellschaftsform – die alltäglichen Probleme selbstverständlich nicht aufhören zu existieren.

Springen wir vom Ostberliner Juni des Jahres 1990 in den November 2019 – und zwar den in New York City. Ludwig Simon verbringt hier gerade einige Monate, um seine Fähigkeiten an einer renommierten Schauspielschule weiterzuentwickeln. Der 21-Jährige, der neben seiner Rolle im Film „Im Niemandsland“ auch seit dem 1. November in der Netflix-Serie „Wir sind die Welle“ zu sehen ist, führt unseren Fotografen Danny Jungslund am frühen Morgen auf ein Flachdach im Stadtteil Brooklyn und präsentiert ihm den Blick auf die Skyline von Manhattan. Eine Aussicht, an die Millionen DDR-Bürger nicht zu träumen gewagt hätten. Und die mit der Nacht des 9. November 1989 zumindest in den Bereich des Möglichen gerückt ist.

»Mit diesem Projekt habe ich für mich nochmal ein ganz eigenes Gefühl für die Thematik entwickelt.«

Jonas:
Du bist 1997 geboren, acht Jahre nach dem Mauerfall. Hast du durch die Arbeit an dem Film etwas über die Zeit nach der Wende gelernt, was du vorher noch nicht wusstest?

Ludwig:
Das Meiste, was ich von dieser Zeit weiß, habe ich durch Erzählungen meiner Eltern, Großeltern oder Lehrer aufgeschnappt. Oder aus Filmen, die sich mit der Zeit befassen, zum Beispiel „Als wir träumten“, „Wir sind jung. Wir sind stark.“ oder „Good bye, Lenin!“. All diese Geschichten waren immer schon sehr spannend, aber ich hatte nie echte Bilder vor Augen oder konnte das Erzählte wirklich nachempfinden – einfach, weil ich die Wendezeit nicht selbst miterlebt hatte.
Daher bin ich sehr dankbar, dass ich mich durch diesen Film zum ersten Mal selbst in diese Thematik hineinfallen lassen durfte – alleine schon wegen der Klamotten, die meine Figur Thorben getragen hat. (grinst) Und ich bin dankbar, dass ich mit einem Regisseur wie Florian Aigner zusammenarbeiten durfte, der diese Wendezeit selbst erlebt hat. Mit diesem ganzen Projekt habe ich für mich nochmal ein ganz eigenes, nicht nur filmisches Gefühl für die Thematik entwickelt. Und ich habe viel gelernt, zum Beispiel über die Enteignungspraxis der DDR. Oder darüber, was nach der Wende mit den Leuten passiert ist, die als „Inoffizielle Mitarbeiter“ für die Stasi tätig waren und aufgeflogen sind. Diese vielen großen und kleinen Konflikte liefern unendliches Futter für Erzählungen und machen diese auch so spannend.

»Es geht darum, welche Familie letztendlich das Haus bekommt und darin wohnen darf – die ostdeutsche oder die westdeutsche.«

Jonas:
Euer Film macht gleich mehrere Konfliktfelder auf, vieles ist ungeklärt: die Eigentumsverhältnisse rund um das Wohnhaus, die persönlichen Beziehungen in den Familien, die Vergangenheiten einzelner Protagonisten. An welchen Stellen ist deiner Meinung nach der Film in der Lage, in all dem Schlamassel am meisten Orientierung zu geben?

Ludwig:
In diesem Schlamassel, wie du es nennst, gibt es einen Hauptkonflikt: den Streit um das Haus. Dieser Konflikt erzeugt diverse Nebenkonflikte, die erst dann aufgelöst werden können, wenn auch die Frage geklärt ist, welche der beiden Familie letztendlich das Haus bekommt und darin wohnen darf – die ostdeutsche oder die westdeutsche. Ein gutes Beispiel für einen solchen Nebenkonflikt ist die Affäre, die Katjas Mutter mit ihrem Nachbarn eingeht. Dadurch, dass sich ihr Mann so sehr in dem Ziel verbeißt, für sich und seine Familie das Haus zu erkämpfen, verliert er seine eigene Frau immer mehr aus den Augen – die sich dann Trost bei jemand anderem sucht.

»Als Kind musste er erleben, wie seine Familie nach der Flucht in den Westen vom SED-Regime enteignet wurde.«

Jonas:
Katjas Eltern wirken ohnehin wie zwei Schlüsselfiguren in dem Film. Während der Vater nach Gerechtigkeit und Wiedergutmachung sucht, wünscht sich die Mutter endlich Ruhe. Damit stehen sie für zwei grundlegend verschiedene Muster, mit der Vergangenheit umzugehen: Aufarbeitung oder Schlussstrich. Welche der beiden Charaktere verstehst du besser? Auf welche Seite würdest du dich persönlich schlagen?

Ludwig:
Beide Figuren haben ganz bestimmte Motivationen für ihr jeweiliges Verhalten. Den Vater treibt seine eigene Geschichte an, da er in diesem Haus aufgewachsen ist und als Kind erleben musste, wie seine Familie nach der Flucht in den Westen vom SED-Regime enteignet wurde. Das kann Katjas Mutter wahrscheinlich emotional gar nicht nachvollziehen, da sie dieses Trauma nicht selbst erlebt hat. Sie sieht nur ihre Ehe in Gefahr, da ihr Mann immer mehr den Blick für sie verliert. Und das ist für sie persönlich ein ebenso großes Drama wie die Hausangelegenheit für ihren Mann. Daher würde ich da gar nicht urteilen wollen, ich kann beide Figuren total gut verstehen – auch weil sie von Andreas Döhler und Lisa Hagmeister so gut gespielt werden.
Wenn ich allerdings in meinem eigenen, realen Leben mit so einer Situation konfrontiert wäre, würde ich versuchen, so wenig Reibung wie möglich zu erzeugen.

»Dieses ganze Ossi-Wessi-Ding ist mir nicht ganz verborgen geblieben.«

Jonas:
Neben all den Konflikten macht der Film auch diverse Ossi- und Wessi-Klischees sichtbar, die sich über all die Jahrzehnte in den Köpfen der gesamtdeutschen Gesellschaft festgesetzt haben. Nimmst du solche Klischees in deinem persönlichen Alltag überhaupt noch wahr – im Jahr 30 nach dem Mauerfall?

Ludwig:
Gott sei Dank bin ich mit diesen Klischees nicht mehr aufgewachsen. Und im Jahr 2019 bin ich einfach nur ein junger Mensch in einer anderen Zeit, in der mir das kaum noch begegnet. Aber wenn ich die Zeit damals selbst erlebt hätte, hätte ich vielleicht ähnliche Denkmuster entwickelt, wer weiß.
Trotzdem ist mir dieses ganze Ossi-Wessi-Ding nicht ganz verborgen geblieben. Beim Fußball zum Beispiel ist mir das immer besonders stark aufgefallen. Ich habe lange Zeit in einer Mannschaft aus Pankow gespielt, sprich aus dem ehemaligen Ostberlin. Wenn wir dann mal für ein Spiel in den tieferen Westen gefahren sind, gab’s dort permanent irgendwelche Ossi- und Wessi-Sprüche, vor allem von den jeweiligen Trainern.
Ich habe eben ja bereits erklärt, dass ich das Meiste über die Wendezeit von Erzählungen meiner Eltern, Großeltern und Lehrer weiß. Da wurden natürlich auch Unterschiede zwischen Ost und West thematisiert, allerdings immer mit einer sachlichen Erklärung und nie auf klischeehafte Art und Weise.

»Entweder du machst hier richtig Kohle – oder halt nicht. Und dann liegst du ganz schnell nachts auf der Straße.«

Jonas:
Der Begriff Niemandsland hat im Film gleich mehrere Bedeutungsebenen. Er bezieht sich einerseits auf den ehemaligen Grenzstreifen zwischen Ost- und Westberlin, der Thorben und Katja als Treffpunkt gilt. Er kann aber auch als Begriff für die vielen Schwebezustände verstanden werden, die der Film erzählt. Wo in deinem Leben, in unserer Gesellschaft oder vielleicht sogar auf dieser Welt siehst du heute solche Niemandsländer?

Ludwig:
Ich habe das Gefühl, dass die Schere zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen immer größer wird – zwischen rechts und links zum Beispiel. Gerade dass sich in unserem Land die extremen politischen Ränder wieder so sehr festigen können, finde ich bei der deutschen Historie erschreckend. Es werden plötzlich wieder Themen besprochen, die für mich aus moralischer Sicht überhaupt nicht mehr diskutiert werden dürften.
Aber auch zwischen arm und reich wird die Kluft immer größer, die Mittelschicht verschwindet, und das überall auf der Welt.
Darüber hinaus gibt es nach wie vor Rassentrennung. Das ist mir zum ersten Mal so richtig bewusst geworden, als ich 2018 nach Südafrika gereist bin. Obwohl die Apartheid dort eigentlich offiziell abgeschafft wurde, gibt es in Südafrika nach wie vor Gegenden, in denen fast nur Weiße leben – oft in reichen Gated Communities. Dagegen lebt ein großer Teil der Schwarzen Bevölkerung in Townships am Stadtrand – in ärmlichsten Verhältnissen. Die Rassentrennung existiert damit de facto weiter.
Übrigens kann man auch in Berlin immer mehr beobachten, wie der ärmere Teil der Bevölkerung, der sich die steigenden Mieten nicht leisten kann, an den Stadtrand gedrängt wird. Und das ist in New York nochmal eine ganz andere Liga. Entweder du machst hier richtig Kohle – oder halt nicht. Und dann liegst du ganz schnell nachts auf der Straße. Da ist doch irgendwo ein riesiger Fehler im System!

»Am Set konnten wir erleben, wie sich der fiktionale Stoff der Serie und die Realität immer nähergekommen sind.«

Jonas:
Kritik am Kapitalismus ist auch ein zentrales Thema der Netflix-Serie „Wir sind die Welle“, in der du seit dem 1. November zu sehen bist. Haben die Arbeiten an der Serie sowie am Film „Im Niemandsland“ deinen Blick auf die Gesellschaft verändert?

Ludwig:
Die Idee für die Serie wurde vor etwa zwei Jahren ins Leben gerufen, gedreht haben wir Anfang 2019. Für mich war es krass zu sehen, wie sich – parallel zu den Dreaharbeiten – in der realen Welt ähnliche Protestbewegungen entwickelt haben, etwa „Fridays for Future“ oder „Extinction Rebellion“. Alleine das Engagement für den Klimaschutz ist in wenigen Monaten so groß geworden, dass wir quasi am Set erleben konnten, wie sich der fiktionale Stoff der Serie und die Realität immer nähergekommen sind. Das liegt unter anderem aber auch daran, dass die Entwickler von „Wir sind die Welle“ im Vorfeld an Schulen gegangen sind, um persönlich von den Schülerinnen und Schülern zu erfahren, welche konkreten Themen sie antreiben.

Was ich aus diesen beiden Projekten für mich persönlich mitnehme, ist eine tiefe Dankbarkeit – dafür, dass ich überhaupt die Möglichkeit habe, so etwas in meinem Leben zu machen. Und gerade mit dem Wissen, dass es viele Menschen auf der Welt gibt, die diese Möglichkeiten nicht haben oder die gar nicht wissen, dass es solche Möglichkeiten überhaupt gibt, habe ich für mich erkannt, dass ich mein Leben umso mehr schätzen sollte. Und dass ich die Möglichkeiten, die sich mir bieten, umso mehr nutzen muss – weil sie ein Privileg sind. Don’t take it for granted!

»Ich bin jemand, der sehr viel Musik teilt.«

Jonas:
Michelle Barthel, die in „Wir sind die Welle“ an deiner Seite steht, hat mir verraten, dass du neben der Schauspielerei eine weitere große Leidenschaft hast: die Musik. Im Film „Im Niemandsland“ gibt es eine Szene, in der du Katja ein eigens für sie erstelltes Mixtape schenkst, das sie auf ihrem Walkman abspielt. Diese Mixtape-Kultur ist heute in Zeiten von Spotify und Co. mehr oder weniger ausgestorben. Dabei gibt es nichts Schöneres, als einem Menschen Musik zu schenken…

Ludwig:
Absolut! Aber dafür kann man heute für jemanden eine Spotify-Liste zusammenstellen, das mache ich total gerne. Und wenn ich auf einen geilen Song stoße und mit diesem Lied einen bestimmten Menschen in Verbindung bringe, schicke ich der Person den Song als Link. Ich bin jemand, der sehr viel Musik teilt. Und ich mache auch selbst ein bisschen Musik und schreibe Texte dazu. Manchmal richten sich diese Songs sogar an ganz bestimmte Menschen. Und wenn ich genug Mut zusammen habe, spiele ich ihnen die auch vor. (grinst)

»Wenn man selbst so angenommen werden möchte, wie man ist, sollte man das auch mit anderen tun.«

Jonas:
Im Film gibt es eine Person, zu der deine Figur Thorben eine besondere Beziehung hat: sein Handballtrainer Maik, der ihm immer wieder gut gemeinte Ratschläge und Lebensweisheiten mitgibt, wie etwa: „Wer sich nicht anpasst, geht unter.“ Kannst du persönlich diesem Satz etwas abgewinnen?

Ludwig:
Die Fähigkeit zur Anpassung ist etwas, was zumindest mir in meinem bisherigen Leben total geholfen hat. Die braucht man ja schon in der Schule. Wenn man dort in jungen Jahren Schwierigkeiten hat sich anzupassen, fällt einem alles viel schwerer. Ich bin sehr froh, dass mir meine Eltern da einiges an Rüstzeug mitgegeben haben – etwa die Überzeugung, dass jeder Mensch Respekt verdient. Wenn man selbst so angenommen werden möchte, wie man ist, sollte man das auch mit anderen tun. Daher habe ich immer versucht, auch auf andere zu achten und mich an ihre Bedürfnisse anzupassen. Wenn ich allerdings gemerkt habe, dass jemand in einer Gruppe gemobbt wurde, konnte ich mich überhaupt nicht anpassen – so etwas ging mir total gegen den Strich.
Anpassungsfähigkeit hat für mich übrigens auch etwas damit zu tun, offen zu sein und sich nicht hinter seinen festgefahrenen Mustern zu verstecken. Wir sehen in unserer Welt, dass alles immer in Bewegung ist und sich permanent ändern kann. Ich habe für mich gelernt, dass man einen besseren Zugang zu allem finden kann, wenn man dieser Bewegung einen gewissen Raum lässt und sich nicht zu sehr versteift.

»Ich habe gemerkt, dass es nicht so viel bringt, wenn man den Leuten erzählt, was sie zu tun haben.«

Jonas:
Als Thorben und Katja in Trainer Maiks Auto sitzen, lässt er sie wissen: „Ihr beide seid die Zukunft, ihr bestimmt, wo’s langgeht.“ Wenn du diesen Satz auf dein eigenes Leben überträgst: Hast du persönlich das Gefühl, dass du und deine Generation die Zukunft maßgeblich beeinflussen könnt? Oder fühlst du dich eher machtlos?

Ludwig:
Dieser Satz erinnert mich extrem an ein Zitat aus dem Film „School of Rock“: „I believe that the children are the future. Now, you can teach them well, but you have gotta let them lead the way.” Ich finde es allerdings immer etwas schwierig, von mir und meiner Generation zu sprechen. Wie soll ich persönlich einen Überblick darüber haben, was bei Millionen anderer junger Menschen auf dieser Welt so abgeht? Dementsprechend fühle ich mich auch nicht dazu in der Lage, ein Sprachrohr für die gesamte Generation zu sein.
Das Einzige, was ich sicher weiß, ist, dass ich selbst meine eigene Zukunft bestimmen kann – und zwar indem ich versuche, aus mir das bestmögliche Ich zu machen und für andere ein gutes Beispiel zu sein. Ich glaube, nur so kann ich selbst den bestmöglichen Beitrag leisten, damit unsere Zukunft gut wird. Ich habe gemerkt, dass es nicht so viel bringt, wenn man den Leuten erzählt, was sie zu tun haben. Viel einfacher ist es, wenn man versucht, selbst ein gutes Vorbild zu sein.

»Ob ich nach Berlin zurückkomme, steht noch in den Sternen.«

Jonas:
Du wirst noch bis Ende Dezember in New York bleiben und kommst dann zurück nach Berlin…

Ludwig:
Ob ich dann nach Berlin zurückkomme, steht noch in den Sternen. Gerade reise ich wahnsinnig gerne – vielleicht geht’s daher zuerst noch irgendwo anders hin. Vor knapp zwei Jahren bin ich in meine erste eigene Wohnung gezogen, allerdings war ich da nie so wirklich oft. Mein Wohnzimmer war eher mein Rucksack. Aus diesem Grund habe ich die Wohnung bald wieder gekündigt und reise jetzt nur noch mit diesem riesigen Rucksack durch die Welt, in dem alles drin ist, was ich brauche. Damit komme ich gerade ziemlich gut zurecht. Mal schauen, wohin mich mein Rucksack noch so trägt.

Jonas:
Was nimmst du aus New York City für dich persönlich mit – und was lässt du gerne dort?

Ludwig:
New York ist eine wahnsinnig inspirierende Stadt, alles fließt hier extrem schnell, und wenn man einmal hier ist, taucht man in diesen Flow sehr schnell ein. Zumindest für mich fühlt sich das überaus positiv an und macht sehr viel Spaß. Wenn ich an einem so inspirierenden Ort bin, gibt es so viele Dinge, die mich in meiner Kreativität des Schauspielens erweitern. Ich merke hier immer wieder, dass das, was ich vielleicht bisher über das Spielen gedacht habe, für mich gar nicht so funktioniert. Und ich erkenne, woran es gelegen hat, wenn ich mich früher für etwas kritisiert habe.
Was ich also mitnehme aus New York, sind wirklich existenzielle Fragen, denn ich will dieses Schauspiel-Ding einhundertprozentig durchziehen. Ich habe so viel dazugelernt und versuche, das alles mitzubringen. Genauso würde ich aber auch unzählige Dinge hierlassen – etwa die Muster, wie ich vorher etwas umgesetzt habe.
Man kann es aber auch philosophischer und spiritueller sehen (lacht): Es ist alles in Bewegung, und manchmal hat man Phasen, in denen man denkt: Ey, es bewegt sich gerade nicht so viel. Aber auch in diesen Momenten bewegt sich zumindest irgendetwas. Und selbst wenn es sich nicht gut anfühlt, gehört es dazu und wird sich, wenn man da rauskommen will, irgendwann auch zu etwas Gutem und Neuem verändern. Man muss nur dafür offen sein. Diese Zeit der Veränderung erleben zu können und sich in Geduld zu üben, bis etwas Neues kommt, ist eine gute Lektion.