Interview — Samuel Finzi

Von Märchen und Machtverhältnissen

In »Allmen und das Geheimnis der Dahlien« hilft Samuel Finzi in der Rolle des Dieners Carlos seinem noblen Chef bei der Mordermittlung. Finzi erklärt uns, warum der Beruf des Dieners noch lange nicht ausgestorben ist.

7. Juli 2019 — MYP N° 25 »Zwielicht« — Interview: Katharina Weiß, Fotos: Lea Bräuer

In „Allmen und das Geheimnis der Dahlien“, dem dritten Film der ARD-Reihe „Allmen“, wird der feingeistige Privatier Johann Friedrich von Allmen erneut eher zufällig zum Ermittler. Sein mysteriöser Diener Carlos, gespielt von Samuel Finzi, hilft ihm, den Mörder zu jagen. Wenige Wochen vor der Erstausstrahlung am 13. Juli haben wir mit Samuel Finzi über große Märchen und uralte Machtverhältnisse gesprochen.

Katharina Weiß:
Die „Allmen“-Reihe besticht durch ihren herrlich snobistischen Humor und die zeitlose Eleganz der Bilder. Wie sehr entspricht von Allmens Ästhetik ihrem eigenen Geschmack?

Samuel Finzi:
Mein persönlicher Geschmack spielt keine Rolle. Das Dargestellte ist die Sprache dieser Filmreihe. Dort erzählt man die Geschichten von Johann Friedrich von Allmen, der zu den gehobeneren Kreisen der Züricher Gesellschaft gehört. Mir gefällt zuerst die Geschichte, mit der Ästhetik befasse ich mich dann später. Ich mag die Art und Weise, wie dort ganz groß gemalt wird. Die Bilder sind schön, weil sie von Allmen und auch meiner Figur entsprechen.

»Menschen stellen sich gerne eine heile Welt vor, in der alle so hübsch sind und so elegant. Der Mensch ist so, spätestens seit es Filme gibt.«

Katharina Weiß:
Dem Film haftet eine Sehnsucht nach dem Dandytum und der Ära der Gentlemen an. Woraus speist sich ihrer Meinung nach diese Nostalgie?

Samuel Finzi:
Menschen stellen sich gerne eine heile Welt vor, in der alle so hübsch sind und so elegant – eine Welt, in der alle gut erzogen sind und Manieren haben. Und gute Autos fahren und tolle Kunstwerke sammeln. Der Mensch ist so, spätestens seit es Filme gibt.

Katharina Weiß:
Der Habitus von Johann Friedrich von Allmen und der Schnitt der Dialoge sind ungewöhnlich für das deutsche Fernehen. Wie würden Sie die spezielle Haltung des Films beschreiben?

Samuel Finzi:
Wir bewegen uns im Spektrum des unrealistischen Films, der die Fantasie des Zuschauers weiter beflügeln soll. Solche Filme sind große Märchen – genau wie die Kriminalgeschichten von Sherlock Holmes.

»Es gibt weiterhin ›die da oben‹ und ›die da unten‹ – das Konzept ist alles andere als ausgestorben.«

Katharina Weiß:
Der Beruf ihrer Figur ist in unseren Breitengraden beinahe ausgestorben. Was treibt Diener Carlos an?

Samuel Finzi:
Was ist denn heute eine Sekretärin oder ein Assistent? Die erledigen dieselben Aufgaben, unter anderem Kaffee für den Chef machen, Tickets fürs Theater besorgen oder die Hemden zur Reinigung bringen… Es gibt weiterhin „die da oben“ und „die da unten“ – das Konzept ist alles andere als ausgestorben. Meine Figur im Film weiß um diese Dinge, bleibt in sich aber sehr rätselhaft. Der Zuschauer weiß noch nicht, woher Carlos kommt und was ihn nach Zürich verschlagen hat. Ich habe mir dazu eine Hintergrundgeschichte angelegt. Aber wie so oft sind die Fragen spannender als die Antworten darauf.

»Warum bilden sich manche Menschen ein, über anderen zu stehen?«

Katharina Weiß:
Auch in Oskar Roehlers Gesellschaftssatire „Herrliche Zeiten“ gaben Sie den Sklaven – welche Rolle spielen Hierarchien in ihrem Leben?

Samuel Finzi:
Ich versuche mir einzubilden: gar keine. Aber Hierarchien geben selbstverständlich Strukturen und Ordnung. Die zu erforschen ist hochspannend. Warum bilden sich manche Menschen ein, über anderen zu stehen? Warum nehmen sie sich die Macht heraus, auch über diese Anderen zu entscheiden? Und warum akzeptieren diese Anderen das? Das muss anscheinend irgendwo in der Natur des Menschen liegen. Da kommen wir aber in ganz tiefe Gewässer. Und müssen jetzt anfangen, über Kapitalismus zu reden…

Katharina Weiß:
Wann war das letzte Mal, dass sie sich jemandem überlegen gefühlt haben?

Samuel Finzi:
Es liegt mir fern, so zu denken. Ich versuche kein Gefühl zuzulassen, indem ich mich besser fühle. Als Kind spielt das eine große Rolle: sich überlegen fühlen, der Stärkere sein. Mit dem Alter versuche ich, mir meine Zeit für wichtigere Dinge einzuteilen.

»Weinen ist das Einfachste. Echtes Lachen zustande zu bringen, ist viel schwerer.«

Katharina Weiß:
Das letzte Mal, dass sie im Theater spontan geweint haben?

Samuel Finzi:
Neulich. Weinen ist das Einfachste. Echtes Lachen zustande zu bringen, ist viel schwerer.

Katharina Weiß:
Das letzte Mal, dass Sie von einem wiederkehrenden Albtraum heimgesucht wurden?

Samuel Finzi:
Hatte ich seit langem nicht mehr.

Katharina Weiß:
Das letzte Mal, dass Sie mit Til Schweiger gesprochen haben?

Samuel Finzi:
Gestern Abend um 21 Uhr. Wir drehen gerade den zweiten Teil von „Klassentreffen“, da haben wir vor und hinter der Kamera miteinander gesprochen.

Katharina Weiß:
Das letzte Mal, dass Sie unbekanntes Land erobert haben?

Samuel Finzi:
Durch eine Rolle, die ich seit Kurzem spiele. Das Stück heißt „Kommt ein Pferd in die Bar“. Ich gebe dort einen Entertainer, einen Stand-up-Comedian am Ende seines Lebens. In diesem Rahmen musste ich über zwei Stunden alleine auf der Bühne stehen. Das Stück läuft noch am Deutschen Theater.

Katharina Weiß:
Das letzte Mal, dass sich von jemandem verabschieden mussten?

Samuel Finzi:
Das war von einem Menschen, der nicht mehr lebt. Im März, es war ein sehr guter Freund von mir.