Fotoserie — Romain Berger

Für Frankreich zu vulgär

Mit seinen Bildern feiert der queere Fotograf Romain Berger seit Jahren ein rauschendes Fest der Farben, Körper und Begierden: eine Freizügigkeit, die immer wieder mal mit den Moralvorstellungen von Instagram & Co. kollidiert – und die ihm auch in der analogen Welt das Leben schwer macht, zumindest in seiner Heimat. Denn den meisten französischen Galerien sind seine Arbeiten zu vulgär. »Une opportunité ratée«, wie wir finden – eine verpasste Chance.

21. Dezember 2023 — Fotografie: Romain Berger, Text: Jonas Meyer

»Dass Künstler*innen wie ich auf Instagram gesperrt werden, ist für mich schon lange nichts Neues mehr.«

„Dass Künstler*innen wie ich auf Instagram gesperrt oder einzelne Inhalte gelöscht werden, ist für mich schon lange nichts Neues mehr“, erzählt Romain Berger, als er sich nach knapp drei Jahren wieder mit einer Fotostrecke an uns wendet. Der queere Fotograf aus Rennes, der Ende der Achtziger im ländlich-konservativen Nordwesten Frankreichs geboren wurde und auch dort aufgewachsen ist – ganz ähnlich übrigens wie der berühmte Schriftsteller Édouard Louis („Das Ende von Eddy“) – beschrieb bereits im März 2021 im Rahmen einer Veröffentlichung einiger seiner Arbeiten in unserem Magazin, mit welchen seltsamen Moralvorstellungen er es immer wieder auf Social-Media-Plattformen zu tun hat.

Damals schrieben wir: Die Community-Politik von Facebook ist etwas, über das sich leidenschaftlich streiten lässt. Während auf den einzelnen Plattformen des US-Konzerns immer noch Autokraten und ihre radikalisierte Gefolgschaft fast ungehemmt ihre menschenfeindlichen Botschaften in alle Welt verbreiten dürfen, während Verunglimpfungen und Shitstorms wie die Axt im Walde wüten, während Falschnachrichten mehr schlecht als recht bekämpft und demokratische Systeme sukzessiv unterwandert werden, tut sich an ganz anderer Stelle ein bizarres Verständnis von Moral auf: bei der Abbildung des menschlichen Körpers.

»Wenn sexuell aufgeladener Content aus der heteronormativen Ecke kommt, scheint Instagram damit viel weniger ein Problem zu haben.«

Zum Verhängnis wurde Romain damals (wie heute) immer wieder die Darstellung von zu viel Schambehaarung in seinen Bildern. Man könnte laut loslachen, wenn es nicht so traurig und absurd wäre.

Die kürzlich aktualisierten Nutzungsbedingungen des Meta-Konzerns hätten die Situation für ihn dabei nur noch verschärft, erzählt der 35-Jährige: „Für queere Künstler*innen wie mich wird es auf Instagram immer schwieriger, unsere Inhalte sichtbar zu machen und dafür Reichweite zu generieren. Wenn sexuell aufgeladener Content dagegen aus der heteronormativen Ecke kommt, scheint die Plattform damit viel weniger ein Problem zu haben.“

Immer wieder müsse er erleben, wie er dem sogenannten shadow banning zum Opfer falle: dem Sperren von spezifischen Inhalten, über das die betroffenen User*innen aber nicht informiert werden. Stattdessen verhindert das soziale Netzwerk einfach, dass andere User*innen die Inhalte zu sehen bekommen.

»Die französischen Galerien erachten meine Arbeiten als zu vulgär für eine Ausstellung.«

Doch mit dieser Quasi-Zensur hat Romain nicht nur in der digitalen Welt zu kämpfen, sondern auch in der analogen – vor allem in seiner Heimat.

„Während es im Ausland verhältnismäßig leicht ist, Galerien für meine Bilder zu finden, ist das hier in Frankreich immer noch ein großes Problem“, schildert er seine Situation. „Die französischen Galerien erachten meine Arbeiten als zu vulgär für eine Ausstellung. Die einzige Galerie, die sich dazu mal mit viel Optimismus bereiterklärt hatte, musste am Ende resigniert feststellen, dass auch ihr es nicht möglich war, die Köpfe und Herzen der Menschen zu öffnen.“

Chez nous, tu seras toujours accueilli à bras ouverts, cher Romain!