Interview — Artists Of The Future (1)

Hoe__mies

Gizem Adiyaman und Lucia Luciano schmeißen fantastische Hip-Hop-Partys, bei denen vor allem Frauen, die queere Community und People of Color eine Plattform erhalten. Wir haben das Duo zum Interview getroffen.

30. Dezember 2018 — MYP N° 24 »Morgen« — Interview: Katharina Weiß, Fotografie: Lea Bräuer

Teil 1 der Serie »Artists Of The Future«:
Hoe__mies

Teil 1 der Serie
»Artists Of The Future«:
Hoe__mies

Wenn Aktivismus auf Kunst trifft: Für weibliche, trans- und nicht-binäre Künstler*innen kann die Chance, im Showgeschäft Karriere zu machen, wie ein besonders trickreiches Würfelspiel erscheinen. Das DICE Conference + Festival will die Machtstrukturen in der Unterhaltungsindustrie verschieben. Deshalb müssen männliche Künstler während der drei DICE-Tage im Publikum bleiben. MYP traf sich mit einigen internationalen Künstler*innen im Club Arkaoda in Berlin-Neukölln.

Zum Auftakt unserer fünfteiligen Serie präsentieren wir euch das Berliner Hip-Hop-Kollektiv Hoe__mies. Gizem Adiyaman und Lucia Luciano leisteten Pionierarbeit und installierten innerhalb der Hauptstadt-Szene das erste Hip-Hop-Partyevent für vorrangig weibliche Künstler*innen of Color.

»Ich gehöre Minderheiten an, denen ich durch meine Arbeit zu mehr Sichtbarkeit verhelfen will.«

Katharina:
In welcher Beziehung stehen die Begriffe „Künstler*in“ und „Aktivist*in“?

Lucia:
Beide eint das Verlangen, sich auszudrücken, um auf bestimmte Umstände und Realitäten aufmerksam zu machen. In meinem Fall heißt das: Ich bin schwarz und eine Frau, damit gehöre ich Minderheiten an, denen ich durch meine Arbeit zu mehr Sichtbarkeit verhelfen will.

Gizem:
Ich komme ursprünglich aus dem Aktivismus und habe mich erst später der Musik zugewandt. Die Kunst, die mich interessiert, ist immer subversiv oder systemkritisch. Da im Hip-Hop besonders oft marginalisierte Geschichten erzählt werden, arbeiten wir daran, diese Stimmen zu amplifizieren.

»Wir leben nun mal in einer sexistischen, rassistischen Gesellschaft.«

Katharina:
Hip-Hop und verbale Grenzüberschreitungen, etwa in die sexistische Richtung, gehen oft Hand in Hand. Welche Gedanken macht ihr euch über dieses Thema?

Lucia:
Hip-Hop ist ein gesellschaftliches Produkt. Und wir leben nun mal in einer sexistischen, rassistischen Gesellschaft. Diese Realitäten werden auch von manchen Künstler*innen aufgenommen und reproduziert. Oftmals auch, weil eine kapitalistische Kaufkraft dahintersteht, die die Objektifizierung von Frauen unterstützt.

Gizem:
Das kritisieren wir auch – und zeigen stattdessen alternative Künstler*innen auf, die auch mit viel Erfolg im Hip-Hop stattfinden, ohne sich an Klischees abarbeiten zu müssen.

Lucia:
Trotzdem haben wir auch unsere problematic favourites, auch guilty pleasure songs genannt: Das sind Songs, die inhaltlich zwar problematisch sind, aber die einem trotzdem gefallen.

»Wir versuchen bewusst, niemanden auszugrenzen, dem der Zugang zu akademischen Diskursen fehlt.«

Katharina:
Wie hat ein gewisser Kampf um Identität euren Lebensweg geprägt?

Lucia:
Der Kampf ist noch nicht zu Ende. Je mehr wir lernen, desto stärker wird der Wunsch, etwas zu verändern.

Gizem:
Ich habe auch durch mein Studium ein erweitertes Bewusstsein dafür entwickelt, wie sehr das Thema Identität meinen Alltag prägt. Die spannende Erfahrung: Sobald du ein Vokabular für diese Probleme kennst und Wörter hast, um genau die Dinge zu benennen, die schief laufen, fällt es einem einfacher, deren Komplexität zu durchdringen.

Lucia:
Auf der anderen Seite versuchen wir auch bewusst, niemanden auszugrenzen, dem der Zugang zu akademischen Diskursen fehlt. Die Musik kann da auch Brücken bauen.

»Ich bin so viel mehr als nur Türkin.«

Katharina:
Vervollständigt den Satz: Ich hasse es, als … gelabelt zu werden?

Lucia:
… als „süßes Girl“. Ich werde lieber als rauer wahrgenommen.

Gizem:
Schwierig. Erst hat es mich zum Beispiel geärgert, dass ich ungefragt als Türkin bezeichnet wurde. So würde ich mich nicht präsentieren, ich sehe mich als Berlinerin. Klar, meine Eltern stammen aus der Türkei und das ist Teil meiner Wurzeln – aber korrekt ist es nicht. Ich bin so viel mehr als nur Türkin.

»Oft denken sich Veranstalter: ›Die laden wir ein, das sind zwei süße Mädels, die kann man super vermarkten.‹«

Katharina:
Ich würde stattdessen gerne für … gewertschätzt werden?

Lucia:
… für die Community, die wir mittlerweile aufgebaut haben. Und dafür, dass wir uns trauen – auch wenn nicht immer alles perfekt läuft. Wir versuchen es wenigstens.

Gizem:
Oft denken sich Veranstalter: „Die laden wir ein, das sind zwei süße Mädels, die kann man super vermarkten.“ Ich würde mir aber wünschen, dass sich Menschen mehr mit den Inhalten beschäftigen, die wir vorantreiben. Wir laden zum Beispiel jede Woche eine neue Playlist auf Spotify hoch. Der Fokus liegt dabei auf Frauen, queren Künstler*innen und POC-Produzenten, die mehr Aufmerksamkeit verdient haben.

Katharina:
Wann können wir euch zum wieder mal live sehen?

Gizem:
An Silvester laden wir unsere Freunde und alle Interessierten zur Party in der Arena ein. Die Details geben wir rechtzeitig auf unseren Social-Media-Kanälen bekannt.