Interview — Feine Sahne Fischfilet

Feierabend mit Feine Sahne Fischfilet

Linke Heimatmusik gegen den Rechtsruck, abgefuckte Festivalexzesse, Auf-die-Fresse-Feiermucke – Feine Sahne Fischfilet wird aus den verschiedensten Gründen abgefeiert. Wir schicken MYP-Lady Katharina in den Feierabend mit Sänger Monchi und Trompeter Max.

22. Januar 2018 — MYP N° 22 »Widerstand« — Interview: Katharina Weiß, Fotos: Roberto Brundo

Es gibt wenig, das nicht schon über das neue Album „Sturm und Dreck“ der Punkrocker von Feine Sahne Fischfilet geschrieben wurde. Kein Wunder, denn bei den Pressetagen der sechsköpfigen Gruppe reihte sich die gesamte deutsche Medienlandschaft ein. Als MYP auf FSF trifft, sind Jan „Monchi“ Gorkow und Max Bobzin in Berlin, um die neue Platte zu bewerben. Wir treffen die Jungs zum letzten Interview des Tages – und entführen sie: raus aus dem Label-Büro, rein in die Kneipe. Feierabend mit Feine Sahne Fischfilet!

Katharina:
„Wir sind zurück in unserer Stadt / Mit zwei Promille durch die Nachbarschaft.“ Euer neues Album „Sturm & Dreck“ startet mit dem Song „Zurück in unserer Stadt“, bei dem ich sehr an das Gefühl denke musste, an Weihnachten wieder zurück ins Hinterland zu fahren und mit den alten Kumpels den Christbaum loben zu gehen. Welche Gefühle haben euch beim Komponieren beschäftigt?

Monchi:
Wir kommen aus Mecklenburg-Vorpommern – ein Bundesland, aus dem Viele wegziehen wollen oder müssen. Wenn die alte Freundesgruppe dann zu seltenen Anlässen wieder zusammenkommt, dann kann man schon mal richtig auf die Kacke hauen. Da wird man gerne nostalgisch.

Katharina:
Und wie geht ihr mit Leuten von früher um, die ihr ungern wiedersehen möchtet?

Monchi:
Einfach nicht treffen!

Max:
Na, manchmal kann man dem auch nicht so richtig aus dem Weg gehen. Da wo ich herkomme gibt es zum Beispiel nur eine einzige Möglichkeit, wo man überhaupt hingehen könnte.

Katharina:
Zuhause seid ihr ja vermutlich kaum noch – die neue Tour ist schon fast ausverkauft, das Finale spielt ihr in der Rostocker Stadthalle, dem Ort, an dem ihr, so war zu lesen, früher mit euren Eltern bei den ganz großen Show Events als staunende Zuschauer gestanden habt.

Monchi:
Alles, was wir in den letzten Jahren erleben durften, war der Knaller. In „Alles auf Rausch“ haben wir diesen irren Ritt thematisiert. Mensch, wir können kaum erwarten, bis alle das Album hören können! Wir haben jede Menge neues Zeug, das wir unbedingt raushauen wollen. Wir haben einfach Bock live zu spielen. Und das checken auch die Leute.

»Auf unserer Tour wird es wieder jede Menge Pfeffi geben.«

Max:
Und natürlich gibt es wieder jede Menge Pfeffi und wir haben uns auch ein paar Bekannte eingeladen, die mit uns auf der Bühne stehen werden. Wir sind zwar ohnehin die ganze Zeit unterwegs, aber für eine Tour loszustürmen macht nochmal mehr Bock.

Monchi:
Wir haben auch nur Vorbands eingeladen – wie etwa Kaput Krauts oder Audio88 & Yassin –, die wir geil finden und mit denen wir befreundet sind. Wenn die in meinem Ort spielen würden, würde ich hingehen!

Max:
Das Tourfinale in der Rostocker Stadthalle macht uns echt baff. Ich hab’ da Otto Waalkes als Kind gesehen, das war die größte Halle, die ich kannte. Wenn ich mir das vor Augen führe, dann muss ich manchmal abschalten, das würde mich sonst überfordern. Die Vorstellung, dass wir paar Hanseln auf so einer großen Bühne so viele Tickets verkaufen, kann ich noch nicht richtig verarbeiten.

Katharina:
Kommen wir von den ganz großen Momenten zu den Stationen auf eurem Weg, an denen ihr eher mit Widerständen zu kämpfen hattet. Dass man auch mit Anfeindung und Frustration konfrontiert wird, macht ihr ebenfalls in „Alles auf Rausch“ deutlich: „Verbietet die, hörn‘ wir euch schrein’ / Euch fall’n nur Dickenwitze ein / Wenn wir sehen, dass ihr kotzt, geht es uns gut. / Uns fahren Menschen hinterher / Das zu glauben, fällt uns schwer.“ Welche Stolpersteine haben sich besonders eingebrannt?

Max:
Da gab es seit Beginn der Bandgeschichte so einige. In erster Linie waren viele Leute von der politischen Position angekotzt, über die wir sprechen und für die wir stehen. Sicher kam auch die ein oder andere Missgunst auf persönlicher Ebene dazwischen. Nach dem Motto: „Warum denn ausgerechnet die? Diesen Idioten hätte ich das nicht gegönnt.“ Es gab schon viele Steine, die uns in den Weg gelegt wurden, aber wir betrachten das eher wie einen Elfmeter: Der Stein ist ein Ball, der irgendwie verwandelt werden muss.

Katharina:
Zu sechst in einer Band zu sein, das stelle ich mir auch ein bisschen wie einen Schutzpanzer vor, man ist ja quasi eine halbe Fußballmannschaft. Zusammen kann euch ziemlich egal sein, was die Leute über euch denken, aber wie geht jeder von euch privat mit Anfeindungen um?

Monchi:
Na, wir sind ja keine Vollnerds, die nur noch zu sechst rumhängen. Ich will an manchen Tagen alleine sein oder einfach nur was mit meinen eigenen Leuten machen.

Max:
Das muss man auch. Wenn man im Tourbus und im Studio immer gemeinsam abhängt, dann braucht man den Abstand, sonst geht man sich voll auf die Nerven. Und sonst hätte es schon viel öfter richtig geknallt.

Monchi:
Aber auch als Band lassen wir ja sehr emotionale Momente zu. Im letzten Album war das zum Beispiel der Song „Warten auf das Meer“, darin gehen wir sehr offen mit Tiefpunktmomenten um. Und für das neue Album habe ich „Niemand wie ihr“ geschrieben…

»Das sind sehr intime Augenblicke und keine Panzermomente – sondern Hose runter!«

Katharina:
… ein intensiver Song! „Mit 19 krieg’ ich dann zwei Jahre auf Bewährung / nicht die Freunde, sondern ihr / ihr zahlt die Rechnung. / 23.000 kostet ein Sixpack, wenn es brennt, / in dieser Zeit hatte ich Angst, dass ihr euch trennt. / Sollte ich mal Kinder haben / will ich so sein wie ihr. / Ich find’s scheiße, was du machst, / aber ich steh’ zu dir“ Diese Zeilen sind also autobiografisch?

Monchi:
Ein Lied, das ich für meine Familie geschrieben habe. Das sind schon sehr intime Augenblicke und eben keine Panzermomente – sondern Hose runter! Und das spielen wir dann auch live. Wir fanden diese Ambivalenzen immer geil: Wir sind mal prollig und laut, aber auch mal leise und schwach sozusagen. Immer dieselbe Stimmung vom Stapel zu lassen und dauerhaft sowas zu verbreiten wie „Wir sind die Stärksten, wir lassen uns nie unterkriegen“, das wäre ja totaler Quatsch. Es gibt auch räudige Momente, wie etwa im Song „Angst frisst Seele auf“. Manchmal fragt sich einfach jeder: Frisst mich das jetzt alles auf, kann ich noch weiter?

Katharina:
„Angst essen Seele auf“ ist ein filmisches Melodram von Rainer Werner Fassbinder aus dem Jahr 1974 – habt ihr euch davon zu diesem Song inspirieren lassen?

Monchi:
Ja, dadurch bin ich auf die Zeile gekommen, die fand ich sehr gut. In dem Lied geht es um eine sehr gute Freundin von mir, Katharina König-Preuß, die im NSU-Untersuchungsausschuss in Thüringen saß. Eine Neonaziband namens „Erschießungskommando“ hatte ein Lied über sie geschrieben, in dem es drei Minuten lang eigentlich nur darum geht, wie sie grausam abgeschlachtet wird. Sie hat mich damals angerufen und mir dieses Lied geschickt – ich bin sonst nicht nahe am Wasser gebaut, aber da hatte ich wirklich Tränen in den Augen. Das war extrem brutal.

Katharina:
Umso passender, dann eine Reminiszenz an Rainer Werner Fassbinder zu benutzen, der ja für seine starken, politisierten und missbrauchten Frauenfiguren bekannt ist.

Monchi:
Ich weiß nicht, was eine Reminiszenz ist (lacht), aber ich fand diese Zeile einfach gut. Der Film thematisiert ja auch Neonazis und Rassismus. Schlussendlich beschäftigt sich das Lied aber mit dieser speziellen Geschichte aus dem Leben meiner Freundin. Einen Umgang mit der eigenen Angst zu finden, das ist uns mit diesem Album sehr wichtig auszudrücken. Wir stemmen uns gegen die Weltuntergangsstimmung und sagen: Es geht noch was, es gibt noch gute Leute! Jetzt ist nicht die Zeit sich zu verstecken, sondern Haltung zu zeigen.

Katharina:
Auch die Songs „Dreck der Zeit“ und „Suruc“ sind brutale, schonungslose Verhandlungen der Realität. Was bedeuten diese Songs für euch? Und was bedeutet Suruc überhaupt?

Monchi:
Suruc ist ein Ort an der türkisch-syrischen Grenze. Da war ich im Jahr 2015 für eine Initiative, die ich mit ein paar Freunden gegründet habe: „MV für Kobane“. Kobane war damals ständig in den Medien, da es die erste syrische Stadt war, in der der sogenannte IS zurückgeschlagen wurde. Extrem viele Leute mussten von dort flüchten. Wir haben Freunde aus der Region und sind dann mehrmals mit LKWs voller Klamotten, Medikamenten et cetera hingefahren. Das letzte Mal, als ich da war, gab es genau dort, in dieser kleinen Stadt, ein Selbstmordattentat. Das Lied soll ausdrücken: Samstag auf dem Deichbrandfestival spielen, sich halb tot saufen, alles geil. Und Montag zwischen 31 Toten stehen.
Nur dass ich dann wieder nach Deutschland abhauen kann, während sich andere dort tagtäglich dem IS in den Weg stellen. Das sind Faschisten, die schlachten die Leute ab. Ich habe den größten Respekt vor den Menschen, die sich da gerade machen, ob an den Waffen oder in der Geflüchtetenhilfe. Mir ist bewusst, dass wir als Band nur einen ganz kleinen Teil leisten können. Aber wir versuchen Lieder zu machen, die nicht von oben auf die Welt schauen, sondern persönlich aus uns herauskommen. Das sind alles eigene Geschichten…

»Samstag auf dem Deichbrandfestival spielen, sich halb tot saufen, alles geil. Und Montag zwischen 31 Toten stehen.«

Max:
Ich bin Monchi auch sehr dankbar dafür, dass er darüber was geschrieben hat. Sonst ist das so abstrakt und abgefahren, so weit weg – am geilsten wäre es natürlich, wenn es keine Terroranschläge auf der Welt geben würde, aber es gibt sie nun einmal. Und man muss sich immer wieder darüber bewusst werden, in welchen Relationen man selbst etwas tun kann und tun muss.

Katharina:
Wie oft machst du dir Gedanken über Privilegien?

Max:
Als weißer, mitteleuropäischer Mann ist mir schon bewusst, dass das meistens eine ziemlich luxuriöse Variante ist. Auch beruflich als Mitglied einer Band ist es eine besondere Rolle. Klar gibt es viele negative Konnotationen, die man damit versehen kann: Prollig, Drogenjunkies. Wir sind uns aber ansonsten sehr darüber bewusst, dass wir sehr auf Gold gebettet sind, was Privilegien betrifft. Wir sind unsere eigenen Chefs, wir stehen in keinem abhängigen Angestelltenverhältnis. Wir existieren nicht hart am Mindestlohn vorbei.

Monchi:
Mein WG-Mitbewohner ist Krankenpfleger, der hat eine hammerharte 40-Stunden-Woche und am Ende hat er das gleiche Geld wie ich. Uns gibt es seit zehn Jahren, wir zahlen uns aber erst seit knapp zwei Jahren Kohle aus. Davor sind wir zu sechst in ’ner Fünferkarre gefahren – das haben wir noch im Kopf, deshalb gibt es auch kein Saus und Braus bei uns. Ich komme zu den Terminen nach Berlin mit der Bahn.

Max (lacht):
Erste Klasse ICE.

Monchi:
So ein Quatsch! Aber ich würde mir ziemlich dämlich dabei vorkommen, meinem Mitbewohner, der als Krankenpfleger schuftet, oder einem Kumpel, der auf dem Bau arbeitet, vorzuheulen: „Mensch, wie anstrengend ist das mit der Band, zehntes Interview heute.“ Das ist totaler Luxus, ein Privileg – dafür schäme ich mich nicht, aber ich empfinde Dankbarkeit und wünsche das auch jeder halbwegs coolen Band, die nicht aus totalen Vollidioten besteht. Wir Sechs haben aber auch alles auf eine Karte gesetzt. Ich hab’ mein Abi abgebrochen und keine Lehre gemacht, wir mussten uns alle entscheiden. Dass das nächste Saison wieder vorbei sein kann und sich kein Schwein mehr für uns interessiert, daran denken wir natürlich auch manchmal.

Max:
Auch wenn wir uns nicht mit jemandem in einem Angestelltenverhältnis vergleichen wollen, wollte man auch nicht herunterreden, dass jeder von uns immer mehr Kraft aufwenden muss, je erfolgreicher die Band wird. Da muss man so viel Präsenz zeigen und Energie reinstecken, dass wir diese Ruhephasen genauso brauchen.

Monchi:
Ich weiß jetzt schon, dass ich bis Ende Mai kein einziges freies Wochenende haben werde. Aber darüber werde ich mich nie beschweren, das habe ich selbst gewählt. Und danach hänge ich wieder in Meck-Pomm am Strand, da könnt ihr dann 40 geile neue Bars in Kreuzberg haben.

Katharina:
Medial seid ihr auch bekannt geworden, weil eure Namen in mehreren Verfassungsschutzberichten des Landes Mecklenburg-Vorpommern zu lesen waren und ihr später auch von konservativen sowie rechtsnationalen Politikern für eure Nähe zu Antifa angegriffen wurdet. Habt ihr noch Lust, über dieses Thema zu reden? Oder ist das für euch langsam gegessen?

Max:
Zu dem Zeitpunkt hätte es keinen größeren Promo-Push geben können und es ist Teil unserer Bandvergangenheit. Aber eigentlich haben wir dazu alles gesagt. Das gehört zu uns – aber dass wir geile Musik machen, ist noch viel wichtiger.

Monchi:
Leute, die uns vielleicht noch nicht so lange kennen, fragen da öfter mal nach. Kann ich auch verstehen, ist ja eine interessante Story. Wir haben dem Verfassungsschutz einen Geschenkkorb vorbeigebracht, um uns für die Promo zu bedanken, ansonsten ist meine Haltung dazu klar: Das ist eine Behörde, die für mich aufgelöst gehört. Mittlerweile wissen wir, dass die über uns nicht nur mehr geschrieben haben als über den NSU, der in Mecklenburg-Vorpommern gemordet hat, sondern auch mehr als über alle Neonazibands in Meck-Pomm zusammengerechnet. Es ist kein Fehler in der Behörde, die Behörde ist der Fehler.

»Jeden scheiß Porno, auf den ich mir einen runtergeholt habe, haben die auf jeden Fall mitgeguckt.«

Katharina:
Habt ihr Angst, darauf reduziert zu werden? Auch wenn es – zumindest in meinem eher linksgerichteten Studentenkreis – meist ein eher positives Reduziertwerden ist?

Monchi:
Klar, viele wurden durch diese Schlagzeilen über uns auf die Band aufmerksam. Aber wer sich etwas länger mit uns befasst, merkt schnell, dass da noch viel mehr Substanz ist. Auf persönlicher Ebene war das auch gar nicht lustig: Ich wurde drei Jahre lang observiert, die haben Peilsender unter mein Auto gemacht. Und jeden scheiß Porno, auf den ich mir einen runtergeholt habe, haben die auf jeden Fall mitgeguckt. Ein Verfahren gegen mich gab’s trotzdem nie, denn – Überraschung! – ich habe nicht die RAF mit aufgebaut. Das ist nicht nur Spaß, auch das wenn viele, die davon hören, immer cool finden. Daran ist gar nichts spaßig, das ist immer noch ein Geheimdienst.

Katharina:
Neben vielen politischen Songs seid ihr auch ganz stark, wenn es darum geht, Lieder zu schreiben, die einen gemütlichen Zusammenhalt beschwören. „Schlaflos in Marseille“ erinnert mich zum Beispiel an einen Hafen-Shanty. Steht ihr auf Shantys?

Max:
Wir haben währenddessen eher an einen Russenchor gedacht, aber Shanty trifft es auch.

Katharina:
Heimatliches Wohlgefühl findet sich auch im Song „Wo niemals Ebbe ist“: „Dritte Liga – Nichtabstiegsplatz / Wir feiern’s wie die Meisterschaft.“ Auf welche Dinge seid ihr wirklich stolz?

Monchi:
Auf diese „Noch nicht komplett im Arsch“-Kampagne gegen Rechts, die wir als Band gemacht haben. Darauf bin ich hammerstolz.

Max:
Im Bandkontext beantwortet sehe ich die größte Errungenschaft darin, dass wir uns als Band nach all den Jahren noch so gut verstehen. Das ist für mich wirklich Gold wert. Wenn das irgendwann nicht mehr der Fall sein sollte, dann war’s das auch einfach mit Feine Sahne Fischfilet, dann ist meine komplette Lebensgrundlage auch einfach passé. Und uns können da tausend Sachen dazwischen kommen, ob auf emotionaler oder familiärer Ebene. Ich bin einfach stolz und froh, dass wir immer noch so gut zusammenstehen. Dieses Gefühl fängt bei uns im Mikrokosmos Band an und geht dann auf unsere Familie über – und wenn wir damit dann noch ein paar Leute bei den Konzerten erreichen können, dann ist das schon mehr, als man sich eigentlich erträumen darf, wenn man Musik macht.