Editorial — Melf Mayer

Geister der Vergangenheit

In seiner Fotoserie über den Tagebau Garzweiler zeigt Melf Mayer Landschaften, in denen einst Tausende von Menschen lebten – in Dörfern, Häusern und Gemeinschaften, die nach und nach der Braunkohle zum Opfer fielen.

2. Mai 2019 — MYP N° 25 »Zwielicht« — Fotografie & Text: Melf Mayer

Kennst du diese Momente, wenn du an die Orte deiner Kindheit zurückkehrst? Geister der Vergangenheit tauchen in Bildern und Emotionen auf, zerplatzen an der Oberfläche deines Bewusstseins. Du erinnerst dich an die Zeiten, die dich geprägt haben und zu dem Menschen machten, der du bist.

Den ehemaligen Dorfbewohnern von Borschemich, Otzenrath, Garzweiler, Pesch und Holz sind die Orte, in denen sie ein Großteil ihres Lebens verbracht haben, nicht mehr zugänglich. Dort befindet sich nun der Tagebau Garzweiler. Die sozialen Aspekte der Umsiedlung prägen das Leben in der Region. Dorfstrukturen werden gespalten. Einige begrüßen die Umsiedlung, andere wehren sich. Konflikte kommen auf. Bäcker, Fleischereien, Einzelhandel schließen. Bauern erleiden wirtschaftlichen Schaden, da ihnen bei der Umsiedlung geringere Flächen zugesprochen werden.

Auch am hellichten Tag wirken die umliegenden Dörfer, teils bereits zum Abriss verdammt, mit ihren heruntergelassenen Fensterläden surreal.

Je mehr ich mich der Kante nähere, desto größer wird die Dichte der Grundwasserpumpen. Tagein, tagaus ziehen sie das Wasser aus dem Loch, das sich unentwegt durch die Landschaft frisst. Schließlich angekommen, sehe ich die Wolken tief über den Baggern hängen. Wie Ruinen aus einer vergangenen Zeit liegen die Metallmonster da, am Leben gehalten durch die langen Schläuche, die sich im Horizont verlieren. Die Wolken reißen auf, tauchen die Szene in Zwielicht.