Submission — Sophie Euler

Santa Monica

14. Juli 2013 — MYP No. 11 »Mein Souvenir« — Text & Foto: Sophie Euler

Ein Andenken verbinde ich immer mit plastischen Souvenirs aus dem Ausland, die, zurück in der Heimat, meistens ihre Funktion als Staubfänger einwandfrei erfüllen oder ziemlich schnell in der Altkleidersammlung landen, weil sie doch nicht so tragbar und cool sind, wie sie es am Strand von _____ waren. Wäre ich nicht in Los Angeles gewesen, könnte ich diesen Text bereits wieder beenden…

Im März 2009 flogen meine beste Freundin und ich nach Santa Monica, eine Stadt in L.A. County, deren Strand-Pier man vor allem in diversen amerikanischen Fernsehsendungen sehr oft zu sehen bekommt. Anfangs kam mir vieles künstlich vor und ich war irritiert von den vielen Unbekannten, die alle sehr überschwänglich wissen wollten, wie es mir geht. Für mich waren das Gute-Laune-Terroristen, die alle gleichzeitig mit den Waffen der „daily happiness“ Amok liefen. Eine Überforderung für eine grantige Österreicherin wie mich.

An einem sonnigen Tag beschlossen wir, uns Räder auszuborgen und am Strand entlang zu fahren. Für 10 Dollar die Stunde erhielt ich ein amerikanisches Cruiser Bike. Im Nachhinein hätte ich für dieses Vergnügen auch das Doppelte bezahlt: So wie ich mich gefühlt habe, als ich mit ca 10 km/h auf der Strandpromenade entlang gecruist bin, müssen sich Harley Davidson Fahrer mit 200 Sachen auf der Landstraße fühlen (assoziierte ich wahrscheinlich aufgrund des tiefliegenden, großen Sitzes und der breiten Lenkstange, denn außer dem Mitfahrgefühl einer Vespa 50 Speciale, hatte ich keinen Vergleich).

Genau dieses Gefühl wollte ich zu Hause in Berlin auch haben! Unbeschwert, lässig, entspannt. Es war für mich ganz klar, ich musste ein Cruiser Bike kaufen, aber eines, das kalifornischen Sand im Reifenprofil hat, eines mit Charakter!

In der 3rd Promenade klapperte ich alle Fahrradgeschäfte ab. Alle hatten nur Neuware für einige 100 Dollar. Niemand wusste von einem „Second Hand Cruiser“ Shop. Niemand außer Dave! Dave arbeitete bei einer amerikanischen Version von Intersport in der Radabteilung und gab mir den entscheidenden Tipp. Gleich in der Nähe des Piers sei ein Fahrradverleih. Offiziell würden dort keine Räder verkauft, aber ich solle danach fragen und „Grüße von Dave“ bestellen.

Eine Stunde später war ich Besitzerin eines gebrauchten schwarzen Cruiser Bikes mit rosa Felgen und einem Fahrradkörbchen. Kosten: 40 Dollar! Ob Dave was davon abbekam, blieb ein Geheimnis.

Für meinen Rückflug nach Berlin musste ich laut Air New Zealand nur noch eine spezielle „Fahrradtasche“ kaufen. Zurück zu Dave. Er verkaufte mir nicht nur die Spezialtasche, sondern zerlegte mein Fahrrad dafür auch noch in seine Einzelteile. Die Tasche kostete übrigens 54,99 Dollar.

Alles einfacher als ich dachte, aber die Gedanken an die Heimfahrt mit dem Bus vom Berliner Flughafen in meine Wohnung lösten inneren Stress aus. Die Tasche war extrem schwer, sperrig, und ich hatte ja auch noch meinen Koffer dabei…

Ankunft in Berlin-Tegel: Keine schwarze Tasche weit und breit! Alles umsonst? Nach 15 Minuten aufgeregten Nachfragens entpuppte sich die Situation als Glücksfall. Mein Fahrrad steckte in London fest und wurde mir dann einen Tag später von einem Kurier direkt in meine Wohnung im ersten Stock geliefert.
Der Kurier fluchte bei jedem Schritt im Stiegenhaus über die schwere Riesentasche und ich konnte erahnen, was mir erspart geblieben ist!

Ich bin stolz auf mein Andenken, und wenn die Sonne über Berlin scheint, cruise ich los, erinnere mich an den Strand von Santa Monica, frage Fremde im Vorbeifahren nach ihrem Befinden, grüße mit einer lässigen Handbewegung meine langhaarigen, bärtigen Kollegen auf ihren Harleys und fühle mich unbeschreiblich gut!

In eine polizeiliche Fahrradkontrolle sollte ich aber lieber nicht geraten, denn mein Cruiser hat keine Handbremsen. Die würden nur den rosa Lack von den Felgen wetzen. Ich bremse mit Rücktritt, wenn die Kette zur Abwechslung mal nicht rausspringt! Die Lenkstange wackelt etwas und der Sitz quietscht von Jahr zu Jahr mehr, weil die Federn rosten. Bergauf zu fahren fordert sportliche Höchstleistungen, weil es keine Gangschaltung gibt.

Ach ja und bei Regen werde ich extrem nass. Bei Cruisern hat man keine Schutzbleche, weil uncool…