Submission — Sntflut

In Bildern gefangen

3. Mai 2016 — MYP No. 20 »Mein System« — Text & Foto: Raphael Schumacher & Sebastian Kortmann

Bilder können eine außerordentliche Schlagkraft entwickeln, denn sie werden nahezu überall und auf unterschiedlichste Art rezipiert. Bilder können entgegengesetzter nicht wirken: zuwider, demonstrierend, moralisierend, irritierend oder humoristisch.

Wir leben in einer schier endlosen Bilderwelt aus bewegten Fernsehbildern, der Fotografie oder Abbildungen im Internet. Bilder sind omnipräsent und eine Ikonophobie ist allgegenwärtig. Es scheint, als fürchte sich die Gesellschaft vor der Macht der Bilder und vor Zerstreuung und Wahnvorstellungen. Entwickeln die Bilder eine so immense Vitalität, dass sie kulturelle und zivilisierte Fertigkeiten nivelliert?

Insbesondere wir als Foto- und Cinematografen nehmen eine entscheidende Haltung ein, denn die Schaffung von Bildern wird von abgebildeten und abbildenden Bildproduzenten geprägt. Somit stellt sich die grundlegende Frage, eben wie der Bildproduzent die Bilder und deren ikonische Wirkung entstehen lässt. Der Prozess der Selektion von Bildern beispielsweise obliegt dem Bildproduzenten. So bewerten letztlich die Ausdruckskraft und das Machtpotenzial des Bildes insgesamt, welches vom Kunden konsumiert wird. So erreichen uns zumeist nicht die ästhetisch wertvollsten, sondern vielmehr die polemisch-markantesten Bilder.

Vor allem der technische Wandel und die damit verbundene Möglichkeit, eine digitale Bildverarbeitung vorzunehmen, schaffen neben analogen Bildern neue bildliche Darstellungen. Insbesondere die Fotografie präsentiert die Dinge naturgetreu – ohne Einwirkung des Menschen – und lässt die Natur selbst sprechen.

Die Fotografie oder auch der Film helfen uns dabei, soziale Ereignisse visuell zugänglich zu machen, und bilden die Schnittstelle zwischen einer subjektiven, kurzweiligen Erfahrung und dem Wunsch nach dauerhafter Visualisierung. Fotografien sind objektiv inter­pretierbar. Sie enthalten Informationen, aber keine Bedeutungen. Demnach ergeben sich die Bedeutungen erst dann, wenn sie in einem Kontext stehen. Unsere mentalen Bilder wandern in das technische Medium des Apparates. Die Macht der Bilder kommt hierin zum Vorschein, denn in einer Welt, in der es rapide zugeht und sich alles wiederholt, bietet die Fotografie eine historische Beschaffenheit der Techniken.

Der Medienphilosoph Vilem Flusser propagiert, aus dieser „Flut der Redundanz informativer Bilder“ auszubrechen. Er meint, dass wir uns in einem Fotouniversum befinden und wir die Welt ausschließlich in Funktion von Fotos erleben. Ja, die Fotografie schafft eine komprimierte Abbildung der Wirklichkeit und Welt.

Der fotografische Akt impliziert, dass wir unmissverständlich über die Umwelt Bescheid wissen, weil die Kamera sie für uns aufzeichnet. Der Wirklichkeitscharakter des Bildes lässt uns aber immer wieder aufhorchen. Denn die inszenatorische Fähigkeit von Bildern ist uns in der heutigen Zeit durchaus bekannt. Außerdem findet sich die magische Kraft der Bilder insbesondere in dem Umstand wieder, dass Fotografien mehr Wirklichkeit abbilden, als wir konsumieren wollen bzw. können. Folglich entsteht ein Wechselspiel aus dem eigenen mentalen Bild und dem physischen Bild der Welt. Dieses Wechselspiel kann durch keine Objektivität, Systeme oder Erfahrungen nivelliert werden, wenn man selbst der Fotograf ist.

Bilder prägen unsere Sicht auf die Umwelt. Mit der technischen Revolution und der Verbreitung der Massenmedien hat sich die Signifikanz des Bildes im Feld der Gesellschaft gewandelt. Denn ein Bild geht immer eine soziale und dialogische Beziehung mit seinem Konsumenten ein und besitzt die Kraft, neue gesellschaftsübergreifende Perspektiven zu eröffnen.