Interview — Philipp Christopher

Gefangen in der Zukunft

Überlebenskampf im All: Philipp Christopher brilliert in der internationalen YouTube-Produktion »Origin« in der Rolle eines gequälten Außenseiters und impulsiven Fieslings. Mit uns geht die Reise zurück zu den Anfängen des Schauspielers: in eine Bar.

20. Dezember 2018 — MYP N° 24 »Morgen« — Interview: Katharina Weiß, Fotos: Steven Lüdtke

Haben wir bald einen neuen deutschen Star in Hollywood? Für Philipp Christopher stehen die Chancen auf jeden Fall nicht schlecht. Der Schauspieler bekam eine Hauptrolle in der „YouTube Premium“-Produktion “Origin“ und konnte an der Seite von „Harry Potter“-Ikone Tom Felton und „Game of Thrones“-Darstellerin Natalia Tena zeigen, warum sich 13 Jahre New York samt einer „Method Acting“-Ausbildung an der „School of Visual Arts“ ausgezahlt haben. Der gebürtige Berliner spricht akzentfrei Englisch, sein Spiel steht dem der internationalen Kollegen in nichts nach. Im Gegenteil: In „Origin“ hat der 38-Jährige mit der Figur Baum Arndt eine Rolle übernommen, die dem Zuschauer sofort ins Auge sticht. Halb als gequälter Außenseiter, halb als impulsiver Fiesling manövriert er sich durch die ersten Episoden – und wächst einem dabei erst nach und nach ans Herz.

Philipp Christopher selbst hingegen braucht keinen Anlauf, um mit Situationen warm zu werden. Wir treffen den gebürtigen Berliner in der Vesper Bar. Die einzige Cocktailbar direkt auf dem Kurfürstendamm bietet Bartender-Kultur in elegantem Ambiente. Dort verbreitet der Gentleman mit seiner schicken Fliege und den markanten Wangenknochen ein prickelndes James-Bond-Feeling. Genau wie der berühmte Geheimagent genießt auch Philipp Christopher seinen Feierabend am liebsten mit einem Grey Goose Martini. Dass er sich mit Drinks auskennt, beweist er auch gerne mal hinter dem Tresen. Und so dauert es nicht lange, bis er auch hier in der „Vesper Bar“ plötzlich einen Cocktail-Mixer in der Hand hält.

Während des Schauspielstudiums in New York arbeitete Philipp Christopher als Barkeeper. Vor kurzem landete er wieder in dem Hotel, das ihn damals angeheuert hatte. Doch dieses Mal war er nicht zum Shaken da, sondern zur Vorstellung seiner neuen Serie. In „Origin“ befindet sich eine Gruppe Fremder auf dem Weg zu einem fremden Planeten. Doch mitten auf der Reise geht etwas schief und das Transportschiff wird zum dystopischen Dschungel, auf dem das Überleben eine Herausforderung ist.

»Mir ist wichtig, dass ich schnell den Überblick gewinne.«

Katharina:
Überwiegen Angst oder Faszination, wenn du an die Möglichkeit denkst, fünf Lichtjahre von der Erde entfernt eine Kolonie zu gründen?

Philipp:
Angst. Der Mensch hat das ja noch nie gemacht und wir wissen überhaupt nichts darüber. Alles wäre neu. Zuerst würde ich vermutlich ein Gefühl der Furcht empfinden – die Faszination kommt danach.

Katharina:
Diese Serie ist eine Art „Big Brother“ im Weltraum. Welche soziale Rolle würdest du einnehmen, wenn dir das gleiche Schicksal wie deinen Protagonisten widerfahren würde? Gehörst du zu den Neugierigen oder zu den Sicherheitsbedürftigen?

Philipp:
Erst mal zurücklehnen und die anderen beobachten (lacht). Meine Figur wirkt zwar in der ersten Folge recht führungsstark, er reagiert aber eher aus Furcht und Frustration. Später übernehmen andere Charaktere die Führungsrolle. Aber ich persönlich? Ich nehme im echten Leben schon mal das Zepter in die Hand. Ich fühle mich ungerne ohnmächtig und versuche immer zu verstehen, was abgeht. Mir ist wichtig, dass ich schnell den Überblick gewinne.

»Es ist spannend zu sehen, was Menschen mit dieser nahen Zukunft anstellen, die noch meine Gegenwart kannten.«

Katharina:
Welche Science-Fiction-Motive inspirieren dich am meisten?

Philipp:
Ich finde Welten, die in völlig entfernter Zukunft spielen, weniger interessant als Stoffe, in denen unsere Welt in ein paar Jahrzehnten entworfen wird – wie zum Beispiel in „Blade Runner“. Es ist spannend zu sehen, was Menschen mit dieser nahen Zukunft anstellen, die noch meine Gegenwart kannten.

Katharina:
Welche Gadgets, mit denen die Menschen in „Origin“ ihren Alltag bestreiten, würden dich reizen?

Philipp:
Es gibt ja jetzt schon VR-Brillen, aber in „Origin“ ist die Technik vollkommen ausgereift und man kann durch andere Welten reisen, sich darin bewegen und mit dieser virtuellen Realität interagieren. Und mit Space Ships zu reisen – also als normaler Mensch im Weltraum wirklich fliegen zu können – hat natürlich auch seinen Reiz.

Katharina:
Die in der Serie gezeigte Extremsituation lässt Raum für viele philosophische Gedankenspiele. Eine Frage, die man sich da stellen kann: Wie oft schafft man es, problematische Tatsachen durch positives Denken zu ändern?

Philipp:
Oft. Ich bin ein positiv denkender Mensch und versuche, aus allen Situationen einen Gewinn herauszukitzeln.

Katharina:
Wie viele Menschenleben müssten gerettet werden können, damit du bereit wärst, dein eigenes Leben aufs Spiel zu setzen?

Philipp:
Das kommt vermutlich auf den Menschen an. Wenn es mein Sohn wäre, dann ganz klar: ein Leben. Krasse Frage! Wahnsinnig schwer zu sagen…

»Ganz besonders interessant ist es, wenn sich das Böse versteckt hält.«

Katharina:
Wann macht das Böse am meisten Spaß?

Philipp:
Immer. Aber ganz besonders interessant ist es, wenn es sich versteckt hält. Kein direktes „Ich bin das Böse!“, sondern ein Agieren aus dem Hintergrund, das sich erst nach langem Lauern zeigt.

Katharina:
Was ist die wahre Stärke: Macht über die Maschine oder Macht über den Menschen?

Philipp:
Macht über den Menschen!

Katharina:
In jeder Episode enthüllt die Serie die Vorgeschichte eines „Origin“-Charakters. Du spielst einen Hochstapler namens Baum Arndt, der sich irgendwann in einem Spiel wiederfindet, dass er nicht austricksen kann. Wann erfährt man mehr über dich?

Philipp:
Auf dem Schiff lernt man ihn zunächst als Außenseiter kennen, der gelegentlich fiese Kommentare einstreut. Die Hintergrundgeschichte in der sechsten Episode zeigt eine ganz andere Facette meiner Rolle. Hier wird erklärt, wieso Baum so ist wie er ist, und man bekommt seine emotionale Seite zu sehen.

Katharina:
Wie hoch schätzt du seine Überlebenschancen ein?

Philipp:
Hoch. Er wird sich so durchschlängeln.

»Wir haben die Einsamkeit schnell bekämpft.«

Katharina:
Nimm uns mal mit hinter die Kulissen: Wie war es, sechs Monate lang in Südafrika zu drehen?

Philipp:
Wir haben in den riesigen „Cape Town Filmstudios“ gedreht und ansonsten viele abgefahrene Locations in Kapstadt und Umgebung ausgesucht. Ein verlassenes Hotel direkt am Strand ist zum Beispiel dabei. In der Zeit haben wir uns alle ganz gut kennengelernt. Ich selbst hatte auch meine Frau und meinen dreijährigen Sohn dabei, der dort in eine englische Montessori-Kita ging. Deshalb hatte ich es wahrscheinlich etwas leichter als andere Kollegen, die sich alleine einfinden mussten. Wir Schauspieler und das gesamte Team haben aber viel miteinander unternommen – und so haben wir die Einsamkeit schnell bekämpft.

Katharina:
Welche soziale Rolle hast du am Set eingenommen?

Philipp:
Hm, vielleicht ein kleines bisschen den Klassenclown.

Katharina:
Wie kann man sich eure Freizeitaktivitäten so vorstellen? Bartouren mit Tom Felton und Safaris mit der ganzen Crew?

Philipp:
Mit meiner Familie habe ich eine Safari unternommen, mit Tom und weiteren Kollegen habe ich zum Beispiel einen Reitausflug am Strand gemacht. Da habe ich einen immensen Respekt vor dem Reiten bekommen. Ich habe lange nicht mehr so viel Schiss gehabt! Das Pferd fing irgendwann an zu galoppieren – ich sah mich schon stürzen und gelähmt wieder aufwachen. Wegen der laufenden Dreharbeiten durften wir keine gefährlichen Freizeitaktivitäten wie etwa Fallschirmspringen unternehmen. Es wäre einfach zu riskant gewesen, wenn sich da jemand verletzt hätte und so die ganze Produktion durcheinandergeraten wäre. Aber ganz im Ernst: Gegen diese Reiterfahrung wäre ein Sprung aus dem Flugzeug vielleicht fast entspannt gewesen.

Katharina:
Was habt ihr von dem Leben außerhalb der Arbeitsblase mitbekommen?

Philipp:
Über Bekannte bin ich zu einem Projekt namens „KidsPot“ herangeführt worden, bei dem ein Ehepaar in einem der sozial schwachen Townships einen Kindergarten organisiert. Dieser Kindergarten soll arbeitende oder arbeitssuchende Eltern entlasten, die sich sonst keine Betreuung leisten können. Davon habe ich auch all meinen Kollegen erzählt, denn wie die Menschen in den ärmeren Nachbarschaften leben müssen – das ist schon heftig! Das hat sich eingebrannt. Daher werde ich dieses Projekt auch weiterhin unterstützen. Außerdem ist es toll zu sehen, wenn Spenden direkt ankommen – und am nächsten Tag zum Beispiel eine neue Schaukel auf dem Spielplatz steht.