Submission — Jewgeni Roppel

Following Rio Sucio

29. November 2015 — MYP No. 19 »Mein Protest« — Text & Foto: Jewgeni Roppel

Im südspanischen Andalusien gibt es ein Gebirgstal am Fluss Rio Sucio, wo sich Menschen aus Protest an der Konsumgesellschaft einen Ort geschaffen und ihn “Beneficio” genannt haben. Es sind Hippies, Aussteiger und Naturverbundene, die aus England, Deutschland und Frankreich zusammengekommen sind, um im naturgeschützten Gebirgskessel in Zelten, Wohnwagen und selbstgebauten Hütten aus Lehm und Holz zu leben. Sie teilen sich diesen Raum mit der Natur und realisieren ihren Wunsch nach einem selbstverwalteten Sehnsuchtsort jenseits der konsumorientierten Gesellschaft.

Was zum Teil aussieht wie ein Flüchtlingslager, ist in Wirklichkeit eine bewusste Entscheidung für eine unkonventionelle Lebensform. Den Kommune-Gedanken der 68er Bewegung und dem Gedankengut von Bagwan Bhagwan Shree Rajneesh folgend, zählt “Beneficio” heute zu den letzten großen Hippie-Generationen Europas.

Vor gut 20 Jahren war es der Ursprungsgedanke der Gemeinschaft “Rainbow Family”, ihren Lebensort auf den Namen “Beneficio” zu taufen. Abgeschieden von Normen der Gesellschaft und befreit von bürgerlich-verklemmter Sexualität, konnte dort jeder, egal welcher Herkunft, nach dem Bhagwan Shree Rajneesh-Prinzip im Einklang mit der Natur leben.

Spirituelle Entfaltungsmöglichkeiten, kreatives Schöpfen und lebendiger Kontakt mit dem nackten Körper waren Ziele dieser Zusammenkunft, die heute nur noch durch Erzählungen in die Gegenwart gerufen werden.Heute hat dieser Ort nicht mehr den Charakter einer Community, die bestimmten Regeln und Aktivitäten folgt.

Neben “Benificio” haben sich einige Kilometer entfernt zwei weitere Lebensorte gebildet, an denen Individuen zusammenleben. Niemand erwartet von ihnen, dass sie dauerhaft bleiben oder etwas gemeinsam aufbauen. Jeder kann kommen, bleiben oder weiterziehen. Jeder bringt eigene Motive und Geschichten mit, die ihn oder sie zu dieser Lebensform bewegt oder inspiriert haben.

Bhagwans Grundsätzen aus den Sechzigern gelten dort noch heute: “Solange du dich hier wohl fühlst, kannst du bleiben. Sobald du dich unwohl fühlst, steht dir die ganze Welt offen (…)Ansonsten gibt es keinerlei Auflagen. Arbeiten habe ich komplett abgeschafft, es sei denn, du möchtest arbeiten, weil es dein Ding ist. In der Kommune war Arbeit zum Überleben absolut notwendig. Hierher dagegen kommst du, wann immer es dir finanziell möglich ist und solange du dir den Aufenthalt leisten kannst. Aber es kann keine Rede davon sein, dass dir hier eine Arbeit aufgezwungen wird. Du kannst wählen, ob du etwas tun oder dich einfach nur ausruhen möchtest, ob du schwimmen gehst, an dem einen oder anderen Kurs teilnimmst, meditierst – oder auch nicht an Kursen teilnimmst, nicht meditierst und einfach nur bist.”

Das fotografische Essay ist eine heutige Momentaufnahme dieser Lebensform, die als Protest und Schutzraum dient, in dem Freiheitsgedanken mit Lebensbedingungen und Isolation vereinbart werden.