Submission — Janis Michaelis

Nach innen wie nach außen

27. Oktober 2013 — MYP No. 12 »Meine Stille« — Text: Janis Michaelis, Foto: Jannis Hell

Immer wenn ich in Norddeutschland das Rauschen der hereinrollenden Flut im Ohr hatte oder den kreischenden Möwen lauschte, die im Hafen einen heimkehrenden Fischkutter umkreisten, und immer wenn ich das Windgetöse an den Peitschenlampen am Fluss hörte, dann dachte ich nur an dieses eigene Stillsein, das abgekoppelt ist von dem, was es verursacht.

Tatsächlich findet sich meine Stille aber ganz anders ein. In geschlossenen Räumen, am eigenen Schreibtisch.

Diese Stille dokumentiert ein Ereignis, das Gestalter kennen, die auf Anhieb kreativ zu sein haben. Die Ideenlosigkeit, den Blackout, die Ratlosigkeit. Ähnlich der Maschinen in einer Druckerei: Ist es in deinem Atelier still, dann steht auch die Produktion still.
Sicher, ich kann jederzeit einen Dokumentennamen vergeben, den Fließtext in einer Meta setzen, Facebook checken, Auszeichnungen vornehmen, Postleitzahlen ausgleichen, speichern, am Farbregler spielen, nochmal Facebook checken.

Doch um etwas Raffiniertes zu gestalten, braucht man eine Idee. Mir wurde einmal gesagt, man müsse bei einer Idee aufpassen, dass sie kein Einfall ist, denn der würde schnell einfältig. Ich habe es so verstanden: Ideen kommen beim Arbeiten und nicht beim darüber Nachdenken. Aber ohne Eindruck kein Ausdruck, sagte das nicht einmal Godard?

Meistens kommen die wirklich guten Ideen in der U-Bahn, aufm Pott, bei nem Schnack. Kein Geistesblitz, eher eine mögliche Idee zur Lösung eines Problems oder einen Anfang dafür.

Leider können die meisten Gestalter nicht darauf hoffen, dass ihnen diese Erleuchtung Freitagabend zwischen Kotti und Moritzplatz heimsucht oder bei Mustafa in der Schlange.

Ein Auftrag ist mit immer näher rückender Deadline wie ein schlecht gelaunter Spiekermann mit Pumpgun in deinem Nacken. So sitzt man Dienstagsvormittag vor dem Rechner, hoffend, dass irgendein geniales Layout zusammen kommt.

Und plötzlich ist es da: das Raufen der Haare, das Nägelkauen, das verzweifelte Klicken der Maus und das Runzeln der Stirn: die Stille.
Mit der Aufmerksamkeitsspanne eines Fünftklässlers sitzt man nun da und durchscrallt jeden Blog, durchsucht die eigene Ordnerstruktur nach Rechtschreibfehlern und lauscht dem sanften Klackern der Festplatte.

Wie man es am Ende dann doch wie selbstverständlich schafft es zu wuppen, ist wie der Anfang einer langen Reise, an den man sich am Ende nicht mehr erinnert.

Es ist einfach passiert. Bezeugen kann dies am am Ende nur das Dokument.

Das war also die Zeit der Stille. Als hätte ich sie bloß überwunden, um sie schon wieder zu suchen, die Stille, in der ich fühle, dass ich höre – nach innen wie nach außen. Gehört einfach zu mir.