Submission — Susan Simin Zare

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14. April 2013 — MYP No. 10 »Meine Nacht« — Text: Susan Simin Zare, Foto: Janice Günther

Die Nacht ist für mich nichts Strukturiertes, nichts Planbares, und deswegen will ich meine Gedanken der Nacht so festhalten, wie sie sind, ein Gedanke.

Ich bekenne mich als ehrlichen Nacht – Fan.

Eine wunderbare Zeit, um zu schlafen.
Wobei mir als klassischen „Vor 9 Uhr morgens mache ich lieber nichts“ – Typus tatsächlich genau dann wirklich tolle Unternehmungen einfallen.

Eine meiner Aktivitäten: Alleine Nachts in einer Bar sitzen. Ein selbst erwählte Aufgabe, denn es ist eine ganz seltsame Emotion, die ich damit verbinde und ich habe das Gefühl es immer wieder von Neuem zunächst erlernen zu müssen. Dann sitze ich meist da zwischen Träumern und Alpträumern. Irgendwo mitten in der Stadt, in einer wahlweise spärlich belichteten Bar, wo man eine junge Frau alleine nicht erwartet. Mit meinem kleinen schwarzen Möchtegern Philosophen Büchlein und einem schwarzen Kugelschreiber, die mag ich am Rande bemerkt farblich lieber als die Blauen, bemitleide mich etwas und habe große Freude daran.

Ich lasse meine Vergangenheit an mir vorüberziehen und bleibe gerne da bis kurz vor dem Morgengrauen, denn so sehr der allgemeine Romantiker, zu dem ich mich gerne zähle, Sonnenauf – und Untergänge schätzt, so sehr liebe ich auch das Gefühl, die Nacht zumindest mit der Nacht zu beenden und zu schlafen, bevor die Welt wieder aufwacht.

So stille ich wenigstens einem kleinen Teil von mir das Bedürfnis nach einem Tag und Nacht Rhythmus.

Ja ich bekenne mich, ich liebe die Nacht aufrichtig. Ein Moment, in dem Zeit verschwimmt, wenn niemand mehr anruft, wenn man stundenlang TKKG hören kann, ohne ein Gefühl etwas anderes zu verpassen.

Wenn es okay ist auf der Gitarre nur noch vor Sehnsucht tropfende Lieder zu schreiben. Was wäre Musik ohne die Nacht.
Und wenn alles ein wenig egaler scheint als zuvor.

Eine Nacht werde ich nie vergessen, im Iran, in Shiraz, bei meiner Familie, in einer Region, in der man sehnsüchtig im Sommer auf die Abkühlung am Abend wartet und in der wir, wie sollte es auch sonst dem Klischee entsprechen, auf einem flachen Dach den Sternen und der unverwechselbaren Abendluft, eine Mischung aus abgekühltem Wind, Stadtluft und Natur – und den Sternen frönten.

Dort saßen wir mit Musik, redeten und lachten und alles war voller Liebe. Ein Gefühl absoluter Einfachheit und Perfektion in einem Moment, den ich nie vergessen werde.

Die Nacht ist meine persönliche Legitimation zur Unabhängigkeit. Die Sonne in allen Farben untergehen sehen, Sterne zählen, Wind und Neuanfang spüren, als ob sich die Welt in ein paar Stunden erneuert, die Luft für den Morgen säubert….in den verbalen Kitsch abtriften und es okay finden.

Ich mag wenig Licht. Alles erscheint schöner, als es eigentlich ist, ein natürlicher Filter der Realität. Als ob die letzten unsichtbaren Schemen von der Phantasie ersetzt werden dürfen.

Es ist alles erlaubt, alleine sein, zusammen sein, nicht sein. Der Moment, wenn der Alltag für wenige Stunden schlafen geht, ist der Moment, in dem die Freiheit aufwacht. Ich will sie nicht missen die Nacht.

Und Schlaf wird bekanntlich sowieso überbewertet.