Submission — Sarah Victoria Schalow

Schatten der Wut

3. Mai 2014 — MYP No. 13 »Meine Wut« — Text: Sarah Victoria Schalow, Foto: Andreas Schlieter

Die Wut, die tragen wir in uns. Sie gehört zu uns, ist unser Motor, treibt uns an. Wir sind wütend, noch ganz klein, weil wir mit unserer kleinen Schwester die Bonbons teilen müssen, weil wir nicht das Traumspielzeug vom Weihnachtsmann bekommen, ohne das wir nicht leben können, weil Sailor Moon abgesetzt wird.

Wir sind wütend, weil wir nicht, wie alle unsere Freunde auch, bis Mitternacht draußen bleiben dürfen, weil wir nicht diesen ultrasüßen Typen treffen dürfen, keine Festivals stürmen und nicht nach Spanien trampen dürfen, weil sich `Take That` trennt, ohne uns zu fragen, weil wir nur ne 3 in Mathe bekommen, obwohl wir definitiv ne 2 verdient haben, weil die beste Freundin immer alles nachkauft.

Wir sind wütend, weil wir von hunderten Bewerbern nicht die bezahlbare Bude in bester Lage bekommen, weil unser NC nicht für das Psychologiestudium reicht, weil immer die anderen auf der „sunny side of life“ stehen, weil wir keine size zero sind und unsere Herzensangelegenheit, der Eine für´s momentane Leben, einer gemeinsamen Zukunft keine Chance geben kann oder will.
Und oftmals, wenn wir uns ganz ehrlich anschauen, sind wir wütend auf uns selbst. Weil wir viele Dinge ändern können und es nicht tun und weil wir andere Dinge nicht verhindern können und es nicht akzeptieren wollen.

Wut, in gesundem Maße, hält uns lebendig und in Bewegung. Sie zeigt uns, wie sehr wir Dinge, Erlebnisse und Liebschaften wollen und begehren.

Ich mag meine Wut. Mittlerweile. Und habe ihr ein Zimmer hergerichtet. Ab und zu besucht sie mich und bleibt nie lang. Und immer, jedes Mal, hinterlässt sie etwas.Fotos, Poster, Konzertkarten, getrocknete Blumen, Briefe, Zeugnisse, Annoncen, Kleidung, zerplatzte Seifenblasen. Kleine Erinnerungen unserer gemeinsamen Zeit und Grundsteine neuer Wünsche und Träume, die zunächst Schatten meiner Wut sind, dann leise flüsternde Geheimnisse werden, um schließlich zu greifbaren, kunterbunt glitzernden Formulierungen heranzuwachsen.

Also lass uns einfach unheimlich wütend sein, lass uns unbegrenzt liebend sein, lass uns unaussprechlich glücklich sein.

Denn verlieren wie unsere Wut, verlieren wir unsere Liebe.