Submission — Philip Jonathan Schwarz

Un caffè per favore

21. März 2015 — MYP No. 17 »Mein Ritual« — Text: Philip Jonathan Schwarz, Foto: Yakop Tolunay

Ein alter Fiat 500 knattert über die holprigen Pflastersteine. Ein anderer hält am Straßenrand. Ein bärtiger, grau melierter Mann steigt aus, lässt die paar Treppenstufen und die im Raum verteilten Tische hinter sich und bestellt an der Bar: „Un caffè per favore.“

Gemütlich durch die Zeitung blätternd bestreitet der Italiener sein tägliches Ritual. Nicht dass es um den Kaffee ginge, sondern viel mehr um das Treffen von Bekannten und die tägliche Dosis Information. Knapp zehn Minuten später verlässt er das Café auch wieder und geht seines Lebens Wege.

Bin ich an irgendeinem fremden Ort, lässt sich immer ein solcher Platz finden. Das ist zu meinem Ritual geworden: Ich folge den Einheimischen, suche mir ein gemütliches Café und beobachte die Menschen. So ergaben sich Begegnungen und Tipps, die schon Türen öffneten und spannende Einblicke ermöglichten, die sonst nicht zustande gekommen wären. Man lernt fremde Städte und Kulturen aus Sicht der Einheimischen kennen und kann Eindrücke gewinnen, die weit spannender sind als die gewöhnlichen Touristenattraktionen. Ob Wohnzimmerkonzert in Berlin, Privatführung durch die Pariser Katakomben oder Wanderung zu einem Traumstrand in Sardinien – in all diesen kleinen Geschichten stand irgendwo ein Kaffee am Anfang.

Zurück in einem kleinen Café in Italien: Diesen Mann gilt es doch zu beneiden. So unscheinbar dieses Ritual scheint, um so wichtiger ist es. Es sind diese kleinen Dinge, die Freuden, die das Leben ausmachen. Mal schauen, welche nächste Geschichte es zu erzählen gibt.