Submission — Peter Nitsch

Zwischen zwei Heimaten

31. August 2014 — MYP No. 15 »Meine Heimat« — Text & Foto: Peter Nitsch

Mehr als 40 Jahre lebte er in Deutschland, zehn davon teilten wir uns als Nachbarn. Zusammen mit seiner Frau hatten sie den Plan, nach Berlin zu gehen, der Heimatstadt seiner Frau. Dazu sollte es nicht mehr kommen, sie verließ unversehens die Welt.

Berlin, das schien die eigentliche Heimat des in München lebenden Bauingenieurs zu sein. Die Wohnung war im Stil eines Berliner Altbaus eingerichtet. Lindgrüne Wände, Jugendstil-Lampen, Berliner Kunstdrucke, Holzmöbel aus der Zeit des frühen 20. Jahrhunderts.

Nach dem Tod seiner Frau war er innerlich hin- und her gerissen: Sollte er nach Berlin gehen, dem Lebensplatz der Familie seiner Frau – oder doch in seine alte Heimat Iran, wo noch seine Geschwister leben? Die Frage war und ist nicht leicht zu beantworten.

Vor zwei Jahren flog er das erste Mal für mehrere Monate in seine Heimatstadt Teheran. In dieser Zeit passten meine Frau und ich auf seine Wohnung auf, gossen die Blumen und leerten den Briefkasten. Er kam zurück, doch war er innerlich noch unsicherer als vorher. Wo er sich denn zu Hause fühlte, was seine Heimat war – diese Fragen beschäftigten ihn weiterhin. Teheran kannte er nur aus seinen Erinnerungen und nach über 40 Jahren hat sich viel verändert: Die Stadt hat sich verändert und die Menschen auch.

Letztes Jahr reifte in ihm der Entschluss, doch ganz und für immer nach Teheran zurückzugehen. Er verpackte die wichtigsten Erinnerungen in Schachteln, Bilder in Luftpolsterfolie, rollte und schnürte seine Teppiche und verschiffte alles in einem Container.

Das Foto konserviert einen Moment – es sieht so aus, als ob alles gerade im Zustand des Verpackens ist – es zeigt jedoch den letzten Augenblick eines zurückgelassenen Lebens, einer hinter sich gelassenen Heimat.

Der Rest seiner Erinnerungen verweilt noch in seiner jetzt ‘alten’ Heimat, die jedoch nie die ‘neue’ Heimat erreichen werden. Sie werden innerhalb der Verwandtschaft in Deutschland aufgeteilt, da er wollte, dass die Erbstücke seiner Frau im ‘gewohnten’ Umfeld ‘weiterleben’.

Heimat sind Erinnerungen, vertraute Momente, die einem Geborgenheit geben. Heimat entsteht, wenn man die Fähigkeit hat, sich dort wohlzufühlen, wo man ist. Heimat ist auch, wenn man inneren Frieden gefunden hat, wie auch immer dieser aussieht. Heimat kann man sich machen. Egal wo.