Submission — Lukas Leister

Das Meer

31. August 2014 — MYP No. 15 »Meine Heimat« — Text & Foto: Lukas Leister

„Schon wieder nasse, sumpfige Füße.“

Als sie nun dort oben stand, erinnerte sie sich an das, was sie vor Jahren in dem zerfledderten Taschenbuch gelesen hatte. Alles hier erinnerte sie daran, erinnerte sie an ihr früheres Zuhause. Damals war Heimat für sie etwas, was sie nie richtig erklären konnte; Orte und Zeiten in ihrer Kindheit, an die sie als Erwachsene nur noch vage Erinnerungen hatte. Geborgen und sicher hatte sie sich damals gefühlt. Mit jedem Jahr, das sie älter wurde, hatte sie vergebens versucht, dieses Gefühl festzuhalten, es unter keinen Umständen gehen zu lassen.
Jahre später war jedoch nur noch wenig von dem romantischen Idyll der Heimat geblieben. Die Sicherheit war der Unsicherheit gewichen, das Heimliche dem Unheimlichen. Heimat war fortan nur mehr ein Wunschort der Zugehörigkeit, den sie auf keiner Landkarte hatte finden können.
Als sie nun hier oben stand und auf das Meer schaute, wurde ihr bewusst, dass sie ihre Heimat die ganze Zeit bei sich hatte, so wie sie es damals gelesen hatte.

„Mein ganzes Leben nasse, sumpfige Füße.“

Zitate: Rinke, Moritz, Der Mann der durch das Jahrhundert fiel, 1. Aufl., Köln: Kiepenheuer & Witsch 2011