Submission — Jonas Meyer

About Sharing

14. Juli 2013 — MYP No. 11 »Mein Souvenir« — Text: Jonas Meyer, Foto: Roberto Brundo

Dass dieser Moment kommen würde, das wussten wir beide nur zu gut. Dabei lag er noch vor einer Stunde so unendlich weit im Irgendwann, dass er einfach nicht präsent sein wollte in unseren Köpfen, nicht existent sein durfte in unseren Herzen. Und so sahen wir auch gar nicht ein, nur einen einzigen Gedanken an das zu verschwenden, was uns jetzt so plötzlich und brutal den Boden unter den Füßen wegriss.

Dabei standen wir gar nicht. Sondern saßen. Nebeneinander. Schweigend, früh morgens am Brunnen. Irgendwie schien sich gerade der ganze Schmutz der Stadt in diesem trüben Wasser aufzulösen – jener großen Stadt, die noch schlief, obwohl es bereits hell war.

Wir waren wach, immer noch. In zwei Stunden würdest du aufbrechen zum anderen Ende der Welt, würdest zurückkehren in dein Leben und mich zurücklassen in meinem.

Und so sahen wir hilflos dabei zu, wie die Zeit unsere letzten gemeinsamen Minuten fraß. Eine nach der anderen, rasend schnell und doch so quälend langsam, dass der Schmerz uns zu zerreißen drohte.

Reden ging nicht, Tränen blockierten den Hals. Trotzdem nahmst du dieses Buch, das ein ständiger Begleiter war auf deiner langen Reise und braune Flecken hatte vom schmutzigen Brunnen.

Ich solle es behalten, sagtest du, denn ich könne damit deine Sprache lernen.
Wie sie klingen würde, würdest du mir demonstrieren, und last mir die laut ersten Zeilen vor:

Miércoles, 17 de marzo. HISTORIA DE DIOS. Descubrir que no se es inmortal, que hay más dioses, cuya vida tampoco es eterna. El drama de saberse absoluto, pero sólo para sus criaturas.

„Nein“, fuhr ich dich an, „hör auf! Merkst du denn nicht, dass du es dadurch nur noch schlimmer machst?“

Wir standen auf und liefen einige Schritte mit Beinen aus Blei. Der Moment des Abschieds, der eben noch irgendwo im Irgendwann lag, stand uns nun Auge in Auge gegenüber – und nahm dich mit.

Nur das Buch lies er da. Und deine letzten Worte.

„Life’s about sharing, Jonas!“