Submission — Głós

Heimat und Exil

31. August 2014 — MYP No. 15 »Meine Heimat« — Text: Głós, Foto: Lisa Marie Lange

Als einer dieser Menschen, die nahezu überall schon mal gewohnt haben, fiel es mir immer schwer, einen bestimmten Ort als ‚Heimat‘ zu bezeichnen. Ich wurde in ein politisches System geboren, das nicht mehr existiert, in einem Land, das ich seit mehr als einem Jahrzehnt nicht mehr besucht habe, und bin groß geworden in einer Stadt, der ich jahrelang den Rücken kehren musste.

Wie sicherlich viele andere Leute mit einem ähnlichen Hintergrund könnte auch ich Stunden mit dem Erzählen von den vielen Umzügen in meinem Leben füllen, darüber, sich nirgendwo wirklich zu Hause zu fühlen oder die Leute nicht zu verstehen, für die das Wort ‚Heimat‘ ein eindeutiges Gefühl bedeutete. Jahrelang war mir dieser Begriff sogar ein unangenehmer, weil es mir nicht gefiel, was er bei Menschen bewirkte. Überall dort nämlich, wo ein Ort als ‚Heimat‘ galt, gab es auch Fremde, und die meiste Zeit meines Lebens habe ich dieses Fremdsein zu spüren bekommen.

Außerhalb Berlins, der Stadt, in der ich zur Zeit lebe und der ich heute am ehesten ein Gefühl von Heimat entgegenbringen kann, habe ich viele schlechte Erfahrungen gemacht, meistens an Orten, die kleiner waren, weniger Einwohner hatten und in denen ich mit offensichtlichen Nachteilen konfrontiert wurde, die für mich gegenüber Berlin existierten. Sobald ich diese ansprach, begegnete man mir meist mit Aggressivität und legte mir nahe, mich doch wieder dorthin zu verpissen.

Ich stellte also fest, wenn ich anderer Leute Heimat nicht mochte, mochte man mich automatisch auch nicht. Ich entdeckte einen Zusammenhang zwischen Heimatliebe, Lokalpatriotismus und den negativen Zügen, die ein solcher Stolz hervorrufen konnte. Bis heute lehne ich Nationalismus entschieden ab, eine sehr extreme Form von Heimatliebe und Fortführung von daraus resultierendem Patriotismus.
Ich selbst kenne keinen Patriotismus, nur Loyalität, aber je mehr ich über den Unterschied dieser beiden Begriffe nachdenke, desto weniger bin ich mir sicher, ob es einen gibt. Letztlich sollte sich jeder darüber im Klaren sein, dass ‚Heimat‘ nicht unbedingt den Ort selbst bezeichnet, an dem man leben und lieben lernt, sondern die Erinnerung, die diesen zur einer solchen macht.

Orte wandeln sich, Städte verändern sich – und auch, wenn die Straßen die selben bleiben und den gleichen Namen tragen, irgendwann sind auch diese plötzlich andere.

Leider aber wird Erinnerung zu schnell zum Ideal, zur Sicherheit, zu dem Gefühl, die Welt sei in dieser Form die beste, meist erlangt in einem Alter, in dem man ein solches Ideal nicht zu reflektieren weiß. Der Welt keinen Raum für Wandel zu lassen, halte ich für gefährlich, denn es sorgt dafür, dass diejenigen, die sich nicht anpassen können, ausgestoßen werden. Des einen Heimat wird so zum Exil des anderen.

Inzwischen habe ich Berlin als meine Heimat erkannt, vermutlich deshalb, weil es hier so viele Menschen gibt, denen es ganz ähnlich ergangen ist wie mir. Berlin bietet viel Platz für die verschiedensten Arten von Menschen und kann auf eine Geschichte zurückblicken, in der das mal nicht der Fall war.

Anderenorts habe ich viel zu viele Stunden mit Bitterkeit und Gedanken über Intoleranz, Ablehnung sowie Isolation verschwendet, Dinge, die für mich keine Bedeutung mehr haben, seit ich wieder hier wohnen kann.

Aus heutiger Sicht tut es mir gut, dieses Fleckchen Erde zu haben, an dem ich mich zuhause fühle. Und trotz der vielen negativen Ausprägungen, die es anderen Menschen verwehrt, ein solches Gefühl zu empfinden, hat mir dieses Gefühl von ‚Heimat‘ dabei geholfen, mich wieder wohler in meiner eigenen Haut zu fühlen.