Submission — Florian Tenk

Letzte Fragmente

5. Juli 2015 — MYP No. 18 »Meine Suche« — Text & Fotos: Florian Tenk

Alles, was ich von ihm habe, hat er mir gesagt. Oder: Das, was ich von ihm haben kann, ist bereits gesagt.
Endlich ist es wieder soweit für den nächsten Herzschlag, nur alle zwei, drei Wochen, wenn wir unsere Wege an diesem Tisch kreuzen lassen. Welche Seite wem gehört, weiß inzwischen keiner mehr.
Vorbei die Jagd, vorbei.
Jetzt spricht er zu mir in letzten Fragmenten.
Was wird jetzt noch passieren, geht mir durch den Kopf.
Ich mag Orangen sagt D. und da erscheint das Bild von einer perfekten Orange auf dem Tisch. Nur ein Stück Stängel ist dran, er ist noch grün und zeigt nach Norden.
Magst du auch Orangen? Ich ja schon.
Ich glaube, ich mag keine Orangen.
Weißt du, ich mag auch Türen, sagt D.

Also beiße ich doch schnell in die Orange, bevor D. auch eine Tür auf den Tischen malen kann. Etwas zu schnell, um dabei ehrlich zu wirken. Ihr Geschmack trägt die Bitterkeit meiner Gedanken, denn ich weiß jetzt schon, zum Norden hinaus gehen wird er trotzdem bald, das weiß er auch. Und ich weiß auch, alle, die aus seiner Gegend kommen, haben einen starken Willen, wenn ich es aber schaffe, dass er noch ein, zwei Momente länger bleibt, werde ich wieder vergessen, was ich ihm zuerst an den Kopf werfen wollte.

Dass er mir ein Wort erfunden hatte:
Und dann doch noch eines hinterher schob, es heißt ichwollteesnureinfachhaben.
Und wenn alle Probleme unserer Zeit, doch nur noch Übersetzungsprobleme sind, habe ich noch nicht gelernt, wie man das buchstabiert.

Wenn er später zurück sein wird, in seiner Gegend und einer an seinem Tisch sitzt, oder zwei, die über mich lachen, weil man mir die Herkunft ansieht und ich seine Worte nicht übersetzen kann. Alles richtig machen, kann man doch eh nur, wenn man gar nichts mehr macht – und so spucke ich ihm einen Orangenkern an den Kopf. Ich habe alle Kerne hinter meinen Zähnen gesammelt, sie sind der einzige Teil von meiner Orange, den ich jetzt beginne zu mögen.
Diese Menschen, die dann an seinem Tisch sitzen werden, schütteln den Kopf über mich, denn alle, die aus seiner Gegend kommen, schütteln den Kopf über die mit meiner Herkunft, die nie finden und nur denken im Suchen stark zu sein.

D. schaut mich heute zum ersten Mal an, so wenn man angesehen wird und darin neu entsteht, mit seinem schrägen Blick, von unten herauf in die Augen.

Vielleicht hat ihn der gespuckte Kern getroffen, doch unter seine Haut hat er es sicher nicht geschafft. Schon als er meinen Mund verlassen hatte, habe ich ihn nicht mehr gesehen. Daran wird nichts mehr wachsen, weil an D. keine Dinge hängen bleiben.

Langsam hebt sich seine Lippe, ob es ein Lachen ist, kann man nicht mehr erkennen, nur seine Zahnreihen aus Kernen, die er schon lange mit sich trägt. Mit dem letzten Rest meiner Orange, den ich nicht vermissen werde, ist seine Zahnreihe nun ganz. Die Laute aus seinem Mund sind die seiner Zukunft, unsere Sprachen sind jetzt ganz verschieden.
In dieser Sprache malt er auf den Tisch seine ersten Rudimente. Ich kann es jetzt noch nicht lesen, aber ich denke, für ihn heißt es gehen, für mich heißt es bleiben.