Portrait — Kupfer Bar

Trinken an Harald Juhnkes Tresen

In der faszinierenden Unterwelt der Berliner Bars und Kneipen gibt es einen Geheim-Tipp: Wir bestaunen in der Kupfer Bar in Kreuzberg die Tricks der Cocktailkunst und lassen uns erklären, warum eine gute Bar wie eine Affäre ist.

10. September 2018 — MYP No. 23 »Instinkt« — Text: Katharina Weiß, Fotos: Maximilian König

Auf der einen Seite der Couch flirtet die Rechtsanwältin mit dem Bohemien im Stresemann-Anzug, auf der anderen Seite sind ein bis zum Hals tätowierter Musiker und die Studentin mit den Blumen im Haar ins Gespräch versunken. Das Publikum ist so einzigartig gemischt wie die extravaganten Cocktails, die hier ausgeschenkt werden. Vor allem aber leistet die Kupfer Bar – dieser Kreuzberger Geheim-Tipp mit dem Flair der Speak Easys aus der amerikanischen Prohibition – etwas, das in der gentrifizierten Feierszene der Hauptstadt selten geworden ist: Sie ist chic, aber nahbar. Und schafft eine Atmosphäre, in der man mit fremden Menschen echte Gespräche beginnt, die erst mit der allerletzten Wermut-Runde enden.

Wer das Kleinod finden will, muss sich zuerst durch die Tische des Restaurants „Nest“ schieben und sich dann an einer Wendeltreppe emporschlängeln. Oben angekommen, warten meistens schon Barchef Robert Schröter oder die Conférencieuse Wera Bunge auf die abendlichen Gäste.

»Eine Bar ist wie eine Affäre: Intim, nicht prätentiös, es dürfen nicht zu viele Leute davon wissen. Nichts muss, alles kann.«

Manche Menschen gehen in Rente und buchen sich eine Kreuzfahrt zu den Balearen – Wera Bunge wurde lieber Teil einer „ehrbaren Bar“. Die charismatische Dame, die unter anderem als Schauspielerin arbeitete, hat einen Sohn und eine Tochter. Von 1994 bis 2009 hatte sie eine Anstellung als Assistentin der Musik- und Operndirektoren in Saarbrücken inne. „Als die Pensionierung anstand, habe ich überlegt: Will ich hier alt werden? Nein! Dafür will ich in eine große, pulsierende, verrückte Stadt“, sagt Wera Bunge. Passend dazu hatte sie sich nur wenige Monate zuvor in den Kopf gesetzt, ihrer geheimen Leidenschaft für die Barkultur nun endlich nachzugeben. Nach ihrem letzten Arbeitstag packte sie die Koffer – und zog am nächsten Tag nach Berlin, um die illustre Hauptstadt um eine wilde Lebensgeschichte zu bereichern. „Eine Bar ist wie eine Affäre: Intim, nicht prätentiös, es dürfen nicht zu viele Leute davon wissen. Nichts muss, alles kann“, sagt sie weise mit ihrer rauchigen Stimme, die nach ganz viel Leben klingt.

Während der Anfänge arbeitete das Kupfer mit einem Gastbartender-Konzept, Wera war der rote Faden zwischen all den wechselnden Charakteren. Dadurch lernte sie Robert Schröter kennen. Der ambitionierte Barmann mit der lockigen Tolle kennt die Trinkkultur der Hauptstadt, wie es nur einem Original möglich ist: Mit drei Jahren zogen seine Eltern nach Berlin, er erinnert sich noch an wildere Zeiten in Technokellern mit der älteren Schwester und an mittägliche Häuserräumungen neben dem Schulhof. Die Aufbruchsstimmung nach dem Fall der Mauer und die explodierende Feierkultur um die Jahrtausendwende haben sich in seine Biografie eingebrannt: Noch minderjährig begann Robert Schröter, in Berliner Technoklubs zu arbeiten, und mit 21 eröffnete er seine erste Bar. Die hieß „Fledermaus“, öffnete nur für Freunde und bedeutete einen Haufen Arbeit. „Die Halbwelt der Bars, die so schillert und glitzert, hat mich immer schon fasziniert. Ich wollte unbedingt hinter dem Tresen arbeiten. Damals war ich noch wahnsinnig jung – so jung, dass mich keiner als Bartender anstellen wollte. Ich hatte einigen Bars sogar angeboten, dort kostenlos zu arbeiten! Letztendlich entschloss ich mich dann trotzköpfig, einen eigenen Laden hochzuziehen.“

»Bei uns ist der Tresen keine Schranke gegen den Gast.«

Mittlerweile hat Robert Schröter sich anderweitig selbständig gemacht, widmet sich mit dem „Artisan Bar Camp“ lieber der Ausbildung und Vernetzung der Berliner Barszene. Nur freitags und samstags schmeißt er noch die Nächte in der Kupfer Bar. „Bei uns ist der Tresen keine Schranke gegen den Gast“, sagt er. „Die Stimmung ist offen und nahbar – durch die Enge des Ausschankraums wäre alles andere auch keine Option.“ Der gemeinsame Nenner der Stammgäste? „Sie alle sind Genießer und elegant von innen.“

Es ist ein zeitloser Stil, der von den Wänden perlt und in den Drinks schimmert, die “Bring the ‘pagne” oder “Alter Stil” heißen und durchschnittlich zwischen zehn und zwölf Euro kosten. Vielleicht liegt es am Geist von Harald Juhnke, der unvergessenen Berliner Legende. Er unterhielt die Nation in einer Zeit, als Menschen wie er noch „Showmaster“ hießen und diesen Titel zu Recht trugen. Denn der Tresen, hinter dem Robert Schröter seine Spirituosen anrichtet, stammt aus dem ehemaligen „Hotel Bogotá“ vom Kurfürstendamm, in dem sich Harald Juhnke während seiner berühmt-berüchtigten Kneipentouren durch West-Berlin volllaufen ließ.

Auch ein anderes Kuriosum fand durch Zufall seinen Weg in die Kupfer Bar: An einer Wand wacht ein Riesenkrokodil über das Vergnügen der Besucher. Dessen Geschichte reicht unter Umständen hundert Jahre zurück – und ist so verwunden wie nebulös. Doch diese teilen Wera Bunge und Robert Schröter zuweilen über ein Glas auf dem Cocktail-Balkon des Kupfers. Vielleicht fühlt sich auch aufgrund dieser Geschichtsträchtigkeit der innere Kreis der Berliner Partyreihe „Bohème Sauvage“ hier so wohl? Auf exklusive Einladung hin können 1920er-Fans und Stammgäste der Kupfer Bar ab und an einen flamboyanten Abend zwischen Flapper-Girls und Dandys genießen.

»Es geht nicht um die platte Gleichmachung in Form plumper Markenpräsentation.«

Wer jetzt richtig Lust auf hochklassige Cocktailkultur bekommen hat, der sollte sich das diesjährige „Craft Cocktails Kreuzkölln“ nicht entgehen lassen, das vom Kupfer angestoßen wurde. Die Barwoche ist der sichtbarste Teil des Projekts „artisanbar.camp“. Vom 12. bis zum 15. September mixen zwischen Heeresbäckerei und Hermannplatz verschiedene Locations wie „Velvet“, „Bar In A Jar“, „Bürkner Eck“, „Feger“, „Herr Lindemann“ oder „TiER“ unter einem gemeinsamen Banner Cocktails aus handgemachten Spirituosen. „Dabei geht es nicht um die platte Gleichmachung dieser Bars in Form plumper Markenpräsentation“, sagt Robert Schröter. „Vielmehr sollen diese sehr unterschiedlichen Orte mit ihrer sehr diversen Couleur punkten. Und so auch einen nächsten Schritt machen, die so zerfaserte Berliner Bartender-Gemeinde zumindest in diesem Teil der Stadt an einen Tisch zu bringen. Durch Einheit in Vielfalt.“ Alle an einen Tisch beziehungsweise Tresen zu bringen, ist das Alleinstellungsmerkmal der Kupfer Bar, die ihre Gäste zum Schillern bringt und ihnen ein Geheimnis schenkt.