Interview — PRAG

Freundschaftsprojekt

Ein Haufen Musiker und eine singende Kommissarin? So einfach ist es nicht. PRAG erzählen uns im Interview, was sie als Gruppe wirklich besonders macht.

13. Januar 2013 — MYP No. 09 »Meine Geschichte« — Interview & Fotos: Lukas Leister

Vorurteile sind lästig, besonders die hartnäckigen. Haben sie sich einmal in den Köpfen der Menschen festgesetzt, bedarf es enormer Zeit- und Kraftanstrengungen, um sie wieder zu entfernen. Dürften sich Vorurteile eine Stadt aussuchen, würden sie sich wohl mit großer Wahrscheinlichkeit für Berlin entscheiden. Schmutzig soll es hier sein. Und unfreundlich und laut.

Man kann Vorurteilen eigentlich nur auf zwei Arten begegnen: Entweder man echauffiert sich, oder man reagiert mit gesundem Pragmatismus. Denjenigen, die sich für Variante zwei entscheiden, sei empfohlen, alle Berlinkritiker mal an einem Nachmittag auf die Museumsinsel zu führen.

Hier, wo sich die Granden deutscher Architekturgeschichte um den Lustgarten versammeln, ist irgendwie nichts schmutzig, unfreundlich oder laut – eher liebevoll, freundlich und angenehm unaufgeregt.

Ein Gebäude, das die Kunst der Zurückhaltung in besonderem Maße beherrscht, ist das Theater am Palais. Zwischen Humboldt-Universität und Deutschem Historischem Museum gelegen, nimmt es am Festungsgraben würdevoll sein Publikum in Empfang.
Hier bin ich in wenigen Minuten mit Nora Tschirner, Tom Krimi und Erik Lautenschläger verabredet.
PRAG nennen sie sich und machen – das sei mir an dieser Stelle erlaubt zu sagen – wundervolle Musik.

Während ich auf die drei Künstler warte, schaue ich mich um. Der Winter hat auch vor der Museumsinsel nicht halt gemacht: Ein kalter und rauer Wind pfeift an den alten Gemäuern vorbei. Auch wenn die Winterluft nicht die bequemste ist, hat sie doch einen entscheiden Vorteil: Sie ist klar und ehrlich.

Ich betrete das ehrwürdige Theater und nehme in einem kleinen Vorführungssaal Platz, wo man normalerweise in Abendgarderobe den Werken von Schiller oder Molière lauscht.
Heute steht aber die Geschichte der drei Musiker im Mittelpunkt. Knapp 700 Kilometer habe ich aus dem fernen Schwarzwald zurückgelegt, um mir genau diese Geschichte erzählen zu lassen.
Plötzlich öffnen sich die antiken Holztüren.

Nora, Tom und Erik sind da, die Begrüßung ist herzlich.

Bühne frei für PRAG.

Lukas:
Die ersten vier Konzerte von PRAG sind gespielt und somit auch die ersten Zeilen eurer Geschichte geschrieben. War es denn ein guter Anfang?

Alle:
Ja.

Nora:
Obwohl die Konzerte ja sozusagen nicht der richtige Anfang für uns waren: Sie waren der öffentliche Anfang – und der war super. Eigentlich hätte es wirklich nicht besser laufen können.
Der eigentliche Anfang unserer Band liegt aber viel weiter zurück.

Lukas:
Und wann war dieser eigentliche Anfang?

Tom:
Der Sommer 2011 fühlt sich am meisten wie ein gemeinsamer Anfang an. Ab da waren wir zu dritt und haben richtig begonnen. Das Vorherige Rumgeplänkel zu nennen wäre falsch: Wir haben es zwar sehr ernsthaft betrieben, aber eben nicht kontinuierlich.

Nora:
…und auch nicht wirklich zielgerichtet.

Erik:
Genau das ist der Punkt: zielgerichtet. Es fing ja tatsächlich damit an, dass ich mich mit Tom traf und Lieder in petto hatte, die für meine andere Band Erik & Me nicht passten. Darüber habe ich mich immer geärgert, weil da so tolle Perlen dabei waren.
Mit diesen Perlen bin ich zu Tom gegangen. Er meinte, dass wir das zwar probieren können, aber auch etwas ganz Neues versuchen sollten. Also hat sich der Kollege Krimi ans Werk gemacht, die ersten schönen Arrangements gebastelt und wir hatten unsere ersten fünf oder sechs Lieder.
Dann traf ich Nora.

Das Tolle ist, dass Erik nicht nur beim Schreiben eine so starke poetische Art hat, sondern auch in der Art und Weise, wie er Melodien kreiert.

Lukas:
Du sagst, die Lieder haben nicht so zu Erik & Me gepasst. Inwiefern passen sie denn jetzt zu PRAG?

Tom:
Das Tolle ist, dass Erik nicht nur beim Schreiben eine so starke poetische Art hat, sondern auch in der Art und Weise, wie er Melodien kreiert. Damit kannst du eigentlich sowohl Indie als auch großes Kino machen – ich sah in dem Material aber eher Zweiteres.
Genau das war das Überraschende, wohl auch für Erik: seine Lieder, die immer Indiebezug hatten, auf einmal in ein neues Gewand zu packen und ganz anders klingen lassen zu können.

Lukas:
War von Anfang an klar, in welche Richtung eure gemeinsame Musik gehen soll?

Tom:
Mir war das ziemlich schnell klar. Ich habe gleich daran gedacht, dass es so etwas werden
soll. Allerdings passiert es beim Produzieren auch, dass man mit einer Sache kommt, von der man ein bestimmtes Bild hat, und plötzlich beim Gegenüber auf ganz andere Synapsen trifft. Bei uns gab es hingegen große Einigkeit. Es gibt Lieder, an denen wir zu dritt gearbeitet haben: Da hat jeder Hand angelegt, Synapsen angeregt und an Knöpfen gedreht, wodurch sich der ursprüngliche Songhintergrund komplett gewandelt hat.

Erik:
Das Tolle ist, dass wir keine Band im klassischen Sinne sind, bei der alle nur an ihren Instrument rummachen, sondern eher eine Produktionsband, bei der man sich im kleinen Kreis arrangieren kann. Du kannst am Rechner einfach schnell ein total anderes Bild entwerfen, indem du sagst: Wir schalten jetzt mal Schlagzeug und alles andere aus und lassen nur Orgel und Trompete laufen..
Das ergibt einen völlig anderen Song – und es hat gerade mal zwei Minuten gedauert, es auszuprobieren. In einem Bandkontext würde das ein Vierteljahr Überredungskunst brauchen.

Nora:
Ja, Produktionsband trifft es ganz gut. Natürlich setzen wir zum Schluss auch alles live um, aber im Grunde ist die Entstehung des Albums das Besondere. Zusammen mit Tom und Erik in einer kleinen, abgeschotteten Schmiede zu sitzen, immer wieder aufs neue Quatsch machen zu können, am Computer und in unseren Köpfen rumzuspielen um dann zu entscheiden, wie wir es realisieren, das macht sehr viel Spaß.

Lukas:
Zumal die ganze Entscheidungskraft bei euch liegt, weil ihr für alles die Verantwortung tragt?

Nora:
Und das ist so toll.

Lukas:
War es denn wirklich ein idealistischer Schritt, alles selbst zu machen, oder wurde aus der Not eine Tugend gemacht?

Nora:
Es war auf jeden Fall kein Bequemlichkeitsschritt.

Tom:
Wir haben uns zwar nach Labels erkundigt., Kontakte besorgt und gute Angebote eingeholt. Aber schlussendlich waren wir einfach nicht überzeugt. Wir fühlten uns sofort unter Druck gesetzt und sahen auch keinen echten Vorteil. Ein Label ist normalerweise ja erst mal eine Bank, die man vor allem dann braucht, wenn man selber keine Produktionsmittel vorweisen kann. Das können wir aber, weil wir selbst ein Studio und die Manpower haben. Zweitens ist ein Label auch ein Promoter und wir haben festgestellt, dass wir promotionmäßig auch recht gut vernetzt sind. Nora vor allem hat in dem Bereich viel Erfahrung, von der wir profitieren können. Die wichtigsten Vorteile eines Labels waren für uns also nicht attraktiv – und bezahlt hätten wir mit Einbußen bei unserem Mitspracherecht.
Dieses Gefühl, dass jedes unserer Babys mit seiner frisch gewickelten Windel über drei, vier
Schreibtische läuft und von irgendwelchen dicken, Zigarre rauchenden Labelbossen begutachtet wird, war kein gutes. Nun können uns frei bewegen, ohne dass wir danach einen Einlauf bekommen. Wir dürfen unsere Fehler machen. Aber aus vielen dieser Fehler, wie das in der Musik nunmal passieren kann, wird manchmal etwas wirklich Tolles.

Es gibt Sachen, die man tatsächlich einfach mal auf eigene Faust probieren sollte.

Lukas:
Im Laufe der letzten zwei Jahre durften wir viele junge Bands treffen, die darauf angewiesen sind, ein Label im Hintergrund zu haben und nicht die Möglichkeiten besitzen, das auf eigene Faust zu stemmen. Also könnt ihr euch von daher echt glücklich schätzen…

Nora:
Naja. Es ist ja jetzt auch nicht so, dass wir auf eine Goldader gestoßen sind. Die Frage muss vielleicht nicht lauten: Was kann man sich leisten sondern was will man sich leisten? Qualität muss nicht von großen Summen und Institutionen abhängen. Wenn große finanzstarke Unternehmen im Spiel sind, heißt das nicht automatisch, dass Geld in allen Bereichen sinnvoll investiert wird. Letztes Jahr zum Beispiel habe ich in England einen Film gedreht, der ausschließlich mit eigenen Mitteln finanziert wurde. Niemand hatte Geld. Letzten Endes ist es einer der schönsten Filme geworden, die ich je gemacht habe. Man muss sich fragen, ob man genug Mut und Selbstvertrauen hat, solch eine Investition zu wagen, weil man gegen einen Apparat antritt, der natürlich behauptet, dass bestimmte Sachen alleine nicht realisierbar sind. Wenn man es nicht besser weiß, hört man natürlich erst mal lieber auf die Leute, die für erfolgreiche und namhafte Firmen arbeiten. Manchmal ist das aber gar nicht so sinnvoll. Es gibt Sachen, die man tatsächlich einfach mal auf eigene Faust probieren sollte. Man muss sich nur trauen. Deswegen tut mir das immer leid für junge Bands, die bestimmte Erfahrungen noch nicht gesammelt haben. Man kann ‚nein’ sagen, man kann Sachen selber machen. Ich finde das immer ganz toll, wenn Leute das schon früh selbst verstehen.

Tom:
Man sollte vor allen Dingen nicht davon ausgehen, dass dein Gegenüber so viel mehr weiß als du.

Nora:
…und die gleichen Interessen hat.

Tom:
Der Gedanke „Weil die ein Label sind, müssen die es drauf haben” …

Nora:
Möp. Falsch. Und das ist wirklich bei vielen Sachen so. Bei Sendern ist das so, bei Verleihen ist das so.
Wenn etwas einen ziemlich großen Umfang und als Apparat eine große Dimension bekommt, dann wird es oft auch schwerfällig. Oftmals glaubt man daran, dass die Beteiligten allein wegen des Labelnamens kompetent sind – und doch kann die Sicherheit eines solch großen Namens eben gerade auch ein Unterstand für Quatsch und richtige Tröten sein.
Das Problem bei jungen Bands oder überhaupt bei jungen Menschen ist meist ein fehlender Lehrer. Ich finde, das Wertvollste, was man im Leben treffen kann, sind Lehrer.
Damit meine ich nicht den klassischen Schulsystemlehrer, sondern eher im asiatischen Sinne gedacht Lehrer, Berater, Mentoren.
Wenn man einen solchen im Umfeld hat und schon früh trifft, hat man die Chance auch früh zu lernen. Wenn du das nicht hast, musst du dich eben auf die großen Opinionleader aus dem Geschäft verlassen.

Tom:
Natürlich kommt es auch darauf an, wie gut man vernetzt ist. Der Nachteil einer jungen Band: Die haben noch nicht so viele Buddies. Nora hat diesen Film in England gedreht, als Revanche haben die Regisseure Max und Michael für uns ein Video gemacht und daraufhin hat ihr Co-Schauspieler in unserem Video mitgespielt. Unsere ganzen Musikerfreunde, die wir über zwanzig Jahre gesammelt haben, haben für wenig bis gar kein Geld unsere Aufnahmen mitgestaltet. Und viele sind dabei, weil wir ihnen einfach auch schon mal einen Gefallen getan haben. Das ist das, was es auch so schön macht. Wir zehren aus einem freundschaftlichen, kollegialen Umfeld.

Lukas:
Also ist das Ganze ein großes freundschaftliches Projekt.

Alle:
Ja.

Es heißt, dass die ersten Minuten der Begegnung mit einem fremden Menschen und die dabei gewechselten Worte darüber entscheiden, welches Bild man von seinem Gegenüber hat. So entscheiden die ersten Zeilen über den Verlauf einer Geschichte und die ersten Takte über die Qualität eines Liedes.

Seit einigen Minuten sitze ich nun mit PRAG zusammen. Und während ich mich mit den drei
Musikern unterhalte und sie beobachte, wird relativ schnell klar, dass diese musikalischen Freunde so sehr zueinander stehen wie zu jedem Wort ihres Erzählten und Erlebten.

Sie wirken so unumstößlich und aufrecht wie die Mauern des Theaters am Palais, die sich über den Festungsgraben erheben.

Während sich die Gemäuer allerdings in vornehmer Zurückhaltung üben, wird die Geschichte von Nora, Tom und Erik getragen von einer tiefen Begeisterung.

Lukas:
Arbeitet man noch, wenn man ein so freundschaftliches Verhältnis pflegt, oder ist es eher ein Vergnügen, im Studio zu stehen? Gibt es überhaupt etwas, was ihr nicht so gerne macht?

Nora:
Ja, das auf jeden Fall. Und diese Aufgaben, die man nicht so gerne macht, werden dadurch, dass wir – bitte entschuldigt, ich sage es einfach so gerne – „Labelchefs“ sind, immer mehr. Das sind meist die ganzen logistischen, organisatorischen Dinge und der wahnsinnige Aufwand von Aufgaben, die wir zwar erledigen können, aber einfach nicht gerne erledigen.

Tom:
Aber auch in der Produktion: Man hätte sich das viel einfacher machen können, indem man sich einen großen Credit vom Label holt, Leute beauftragt, Sachen zu machen, und sich selbst nur die Rosinen rauspickt. Aber selbst unter den Rosinen gibt es halt auch ein paar Trockenfrüchte, die mir nicht so passen.

Nora:
Wir müssen eben ganz schön erwachsen sein mit unseren ganzen Labelsachen.
Ansonsten ist es aber natürlich so, dass diese Art von Arbeit, die wir machen und die kreativ ist, sowieso schon viel mit Spaß und mit Vermischung von Privatem und Beruf zu tun hat. Wenn wir also dazu kommen, uns nochmal darauf zu besinnen, was der eigentliche Kernpunkt des Ganzen ist, nämlich die kreative Arbeit, das Musikmachen, dann ist das sowieso immer Highlife in Tüten.

Ich glaube, die Leute erwarten etwas Bestimmtes, sobald Nora im Musikbereich tätig ist, aber wir geben es ihnen nicht.

Lukas:
Ist es schwierig, den schauspielerischen Erfolg von Nora mit eurem Musikprojekt zu vereinbaren? Inwiefern sind Kommentare wie „die singende Kommissarin” hinderlich für eure eigene Presse?

Erik:
Wir haben uns im Vorfeld viel schlimmere Sachen ausgemalt. Die Erfahrung zeigt, dass die Presse, aber auch alle möglichen anderen Leute, gerne auf so etwas einschlagen. Das war bei uns bisher tatsächlich ganz angenehm. Es fehlen die Hater, oder sie werden netter. Zu Beginn gab es mal ein/zwei Nörgler, aber es hält sich alles nicht nur in Grenzen, sondern die letzten Kommentare zu den Konzerten waren sogar so toll, dass wir da alle ein wenig baff sind.

Nora:
Ich glaube, wir haben uns keine Illusionen gemacht, es ist nun einmal so, das gehört alles zu mir. Es öffnet uns natürlich jede Menge Türen, das muss man ganz klar sagen. Störend wäre es am ehesten, wenn man das Gefühl hätte, Leute geben vor über und mit PRAG reden zu wollen und dann wollen sie eigentlich doch nur mich – und die Jungs sitzen dumm rum. Solch eine Situation fände ich doof. Aber das passiert eigentlich nie.

Erik:
Witzig festzustellen war für uns, dass die Interviewenden immer zuerst Tom und mich fragen. So vorbildlich sind die schon.

Nora:
Und das tatsächlich auch mit einem abwertenden Ton mir gegenüber „Ich hab da erstmal ‘ne Frage an Tom und Erik!“.

Erik:
Viele von den Leuten denken genau an dieses Problem, was ja eigentlich keins ist. Das ist für uns ganz komfortabel.

Tom:
Eins fällt mir noch dazu ein: Ich glaube, die Leute erwarten etwas Bestimmtes, sobald Nora im Musikbereich tätig ist, aber wir geben es ihnen nicht.
Also das Produkt, was PRAG letztendlich ist, verwirrt die Leute – und das ist ein großer Vorteil. Sobald die Erwartungshaltung der singenden Kommissarin erfüllt wird, können sie leichter darauf rumhacken.
Aber sobald sie einmal überrascht sind, wissen die Menschen oft nicht so richtig, was sie davon halten sollen, was sie dazu sagen sollen. Und dann müssen sie sich damit beschäftigen. Und sobald sie sich damit beschäftigen, merken sie, dass das Ganze gehaltvoll ist. Es muss ihnen noch nicht einmal super gefallen, aber sie merken eben, dass es kein PR-Gag ist. Es ist keine Produktion, die Warner Brothers um Nora herum aufgebaut hat.

Lukas:
Um nochmal auf unser Thema zurückzukommen: Gibt es denn eine Geschichte, die euch als Truppe besonders macht?

Erik:
Für mich persönlich sind es die Aufnahmen in Prag. Dieser eine Tag Orchesteraufnahmen fühlte sich an wie sehr viele Tage.
Das war wohl einer der stressigsten Tage, die man sich so vorstellen kann, aber auch einer der glücklichmachendsten. Da kamen tausend Sachen potenziert zusammen.

Tom:
Vergleichbar mit emotionalen Zip-Dateien. Keiner von uns hatte das bisher schon mal so gemacht. Wir haben es uns einfach vorgenommen und es nach bestem Wissen und Gewissen vorbereitet. Aber da sitzen dann auf einmal Leute, die a) Tschechisch sprechen und b) sich in einer musikalischen Sprache unterhalten, die wir auch nur ansatzweise kennen. Das waren viele Menschen, die allesamt auch Geld dafür bekommen haben. Das hieß für uns, dass das auf jeden Fall etwas werden muss. Und unser Zeitplan war eng. Wir wollten zehn Stücke mit ihnen aufnehmen und merkten auf einmal: Was ist denn, wenn das hier nicht klappt?
Angefangen damit, dass wir am Morgen zur Rezeption des Tschechischen Fernsehens kamen und die Frau hinter dem Tresen uns anschaute und sagte: „Ich weiß nicht, wer ihr seid, ich weiß nicht, wovon ihr sprecht.”

All unsere Kontakte waren vorher per Internet, per Mail gelaufen, das Ganze hätte ein riesiger Reinfall werden können.

Nora:
Letztens Endes war die Frau einfach verpeilt, aber man zuckt natürlich schon zusammen. Wir hatten eine Woche Prag gebucht, tausend Sachen vor und merkten auf einmal, dass wir nie persönlich mit den Leuten gesprochen hatten, mit denen wir arbeiten wollten. Wir fragten uns plötzlich, ob das so eine gute Idee war.

Erik:
Schlussendlich lief es dann aber nicht nur gut, sondern es war einfach toll. Als wir in den Aufnahmeraum kamen, die Notenblätter mit den einzelnen Songs da lagen, alles schön eingerichtet und hochgradig angenehm und professionell war, war das ein klasse Gefühl.

Tom:
Wir sind wie gesagt ein paar Tage länger dort geblieben. Das ganze Fass, das da aufgemacht wurde, haben wir dann auch ausgetrunken. Dabei haben wir uns als Band emotional gegründet. Vorher war es ein „Wir machen was zusammen.“, danach war es „Da ist es!“

Ans Ende denken wir zuletzt, jedoch ist es ein riesiger Traum von uns, einmal live mit einem großen Orchester zu spielen.

Lukas:
Wenn ihr jetzt eure Geschichte weiterschreiben könntet, welches Kapitel würdet ihr auslassen, wie würde sie enden?

Nora:
Auslassen würden wir definitiv gerne das Kapitel, indem wir anfangen, unter einen Druck zu geraten, den wir eigentlich nicht haben müssten, weil wir uns ja extra so viel Freiheit erkämpft haben. Mit der öffentlichen Wahrnehmung wird es eine Herausforderung, sich nicht selbst überholen zu wollen. Sich die Entspannung beizubehalten wäre wichtig. Ans Ende denken wir zuletzt, jedoch ist es ein riesiger Traum von uns, einmal live mit einem großen Orchester zu spielen. Und das wäre doch wohl ein tolles Ende.

Für heute ist alles gesagt.

Durch steinerne Flure mit gläsernen Kronleuchtern laufen wir zum Ausgang. Draußen, wo die Sonne mit aller Kraft versucht, die wetterfest verpackten Touristen vor der Kälte zu beschützen, verabschiede ich mich von den Musikern.
Ich bleibe noch einen Moment stehen, schließe die Augen und atme tief ein. Kühle Winterluft füllt meine Lunge. Klar ist sie. Und ehrlich.

Wenig später verlasse ich die Museumsinsel und mache mich auf meinen Weg zurück in den fernen Schwarzwald. Schön war es heute. Und irgendwie liebevoll, freundlich und angenehm unaufgeregt.

Noch einen letzten Blick werfe ich auf die Mauern der ehrwürdigen Gebäude, die sich mit breiten Schultern über die Insel erheben. Es wirkt, als wollten sie sie beschützen.

Wahrscheinlich vor den Vorurteilen.