Interview — Get Well Soon

Der Liebe wegen

Mit seinem neuen Album „Love“ liefert Konstantin Gropper alias Get Well Soon gleich elf Perspek-tiven auf das Thema Liebe. Mit uns spricht der unaufgeregte Mannheimer über seine größte Angst, seine Liebe zur Natur und die Zusammenarbeit mit Jan Böhmermann.

3. Mai 2016 — MYP No. 20 »Mein System« — Interview: Jonas Meyer, Fotos: Maximilian König

Clip 1. Eine beschauliche Neubausiedlung mit gepflegten Vorgärten. Bei einem der Häuser öffnet sich das Garagentor, ein dunkelgrüner Jaguar fährt ein. Das Tor schließt sich wieder, ein gutaussehender, etwas älterer Herr steigt aus dem Wagen und trägt seine Lebensmitteleinkäufe ins Haus. In der Küche angekommen, bindet er sich eine weiße Schürze um und beginnt, liebevoll und akribisch das Abendessen zuzubereiten. Anschließend deckt er im Esszimmer für zwei Personen ein, legt ein Dinner Jacket an und zieht die Gardinen zu.

Einige Augenblicke später. Der ältere Herr genießt in vollen Zügen das Abendessen. Am anderen Ende des Tisches ist eine junge Frau zu sehen, die etwas apatisch wirkt. Der ältere Herr erhebt sich von seinem Stuhl, setzt sich direkt neben sie und streichelt sanft über ihre langen, leicht zerzausten Haare. Dann greift er zu einer Garnele, führt sie zum Mund der jungen Frau und lässt sie abbeißen.

Kameraschwenk auf ihre Arme. Diese sind mit schwarzen Kabelbindern an den Stuhllehnen fixiert. Nachdem das Abendessen beendet ist, löst der ältere Herr die Fesseln und führt die junge Frau in den Keller. Dort ist im Boden eine Falltür eingelassen, die er langsam öffnet. „It’s love, love, and I can’t get rid of it… It’s love, love, and I can’t make sense of it.“

Clip 2. Ein Einfamilienhaus irgendwo im Deutschland der 70er Jahre, davor ein Polizeiwagen mit eingeschaltetem Blaulicht. Während zwei Männer einen Leichensack aus der Einfahrt tragen, trifft der ermittelnde Kommissar am Tatort ein. Vorbei an den Beamten betritt er das Haus. Der Flur ist übersät mit Unterlagen, daneben finden sich in einem Koffer unter anderem Flugtickets, Handtücher und eine Packung Mehl. Mit dem Diktiergerät in der Hand nimmt sich der Kommissar Zimmer um Zimmer vor, begutachtet verschiedenste Gegenstände und sucht nach Spuren. Im Abfluss des Swimmingpools hat sich Schmuck verfangen, die Toilette steckt voller Dollarnoten, das Schlafzimmer ist ein einziges Blutbad. Was mag vor wenigen Stunden in dem Haus, in dem scheinbar ein prominentes Musikerpärchen gelebt hat, nur passiert sein? „We’ll on last leave, our love, it’s a specious leave, our love, and be ugly, our love, sincerely yours, my love.“

Clip 1 und Clip 2 sind die filmischen Interpretationen zweier Songs, die Konstantin Gropper alias Get Well Soon gerade auf seinem neuen Album veröffentlicht hat. Die Platte trägt den schlichten Titel „Love“ und setzt sich – man hätte es fast vermutet – mit dem Thema Liebe auseinander. So weit, so gut also. Oder doch nicht?

Wer die beiden Clips gesehen hat, der wird es ahnen: Die Perspektiven, die der 33-Jährige mit seinem vierten Album auf die Liebe wirft, sind – um es mal zurückhaltend auszudrücken – alles andere als alltäglich. Und so sitzen wir heute mit Konstantin bei seinem Label „Caroline International“, um bei dem einen oder anderen Getränk über ihn, seine Musik und die Liebe zu sprechen. Wir sind sehr gespannt.

Jonas:
Mit den Musikvideos zu deinen Songs „It’s Love“ und „It’s A Catalogue“ erzeugst du eine ganz eigentümliche Ästhetik: Bei dem einen Clip findet man sich im Deutschland der 70er Jahre wieder, bei dem anderen hat man fast das Gefühl, mitten in einem Ulrich Seidl-Film zu sitzen. Was fasziniert dich so daran, deine Musik auf diese Art und Weise zu erzählen und visuell zu hinterlegen?

Der Plan war, nicht einfach nur schöne Bilder zur Musik zu produzieren, sondern Filme zu schaffen, die im Kopf bleiben.

Konstantin:
Die beiden Videos waren als Vorboten meines neuen Albums gedacht. Mir ging es darum, den Begriff Liebe auf ungewöhnliche, ja extreme Art zu interpretieren. Der Plan dabei war, nicht einfach nur schöne Bilder zur Musik zu produzieren, sondern Filme zu schaffen, die im Kopf bleiben.

Jonas:
Regisseur der beiden Clips ist Philipp Käßbohrer, mit dem Du schon seit vielen Jahren zusammenarbeitest. Wie sehr warst du selbst in die Entwicklung der Filmideen involviert?

Konstantin:
Ich bin jemand, der relativ ungern kreative Verantwortung abgibt, aber mit Philipp habe ich jemanden, dem ich blind vertrauen kann. Und bei dem ich weiß, dass es gut wird. So war’s auch bei „It’s Love“: Philipp hat mir zu dem Song seine ganz eigene Filminterpretation präsentiert – und ich war geradezu schockiert, wie gut diese Idee zu dem Stück gepasst hat. Bei „It’s A Catalogue“ dagegen war ich ausnahmsweise mal etwas stärker in die Planung eingebunden, weil sich das Video inhaltlich sehr eng am Songtext orientiert.

Jonas:
Was verbindet euch beide?

Konstantin:
Vielleicht die Herkunft. Philipp und ich kommen aus derselben Gegend in Oberschwaben. Vor etwa 20 Jahren haben wir uns in Ochsenhausen im Jugendorchester kennengelernt. Seitdem sind wir einfach gute Freunde. Wir verstehen uns bestens, haben einen ähnlichen Geschmack und müssen einander nicht viel erklären.
Seit 2008 unterstützen wir uns auch beruflich bei den unterschiedlichsten Projekten. Philipp leitet die Kölner Produktionsfirma „Bildundtonfabrik“, eine Art Kollektiv aus Filmemachern, Designern, Animationskünstlern und anderen Kreativen, mit denen ich immer wieder zusammenarbeite.

Jonas:
„It’s Love“ erzählt die Geschichte eines älteren Herrn, der zuhause seine vermeintliche Geliebte bekocht und umsorgt, bis sich herausstellt, dass die junge Frau eigentlich seine Gefangene ist und im Keller versteckt wird. Mit welchen Reaktionen muss man bei der Veröffentlichung eines solchen Videos rechnen? Immerhin haben in den letzten Jahren vergleichbare reale Fälle – Stichwort Natascha Kampbusch oder Josef Fritzl in Österreich – für großes Entsetzen gesorgt.

Konstantin:
Ehrlich gesagt hatte ich mit wesentlich heftigeren Reaktionen gerechnet, als es dann letztendlich der Fall war. Aber der Clip wurde ja bezüglich seiner Ästhetik auch so gefilmt und umgesetzt, dass eigentlich jedem sofort klar wird, dass es sich hierbei um Kunst handelt.
Es gibt da übrigens eine lustige Anekdote: Im Vorfeld des Drehs haben wir parallel mit mehreren Darstellern über die Idee des Films gesprochen, unter anderen auch mit dem österreichischen Schauspieler Karl Markovics. Er sagte, er fände das Konzept richtig gut und man könnte das auch so umsetzen, aber er als Österreicher – das könnte er einfach nicht spielen. (Konstantin grinst)

Jonas:
Während „It’s Love“ in der Jetztzeit spielt, habt ihr die Story von „It’s A Catalogue“ in den 70er Jahren stattfinden lassen. Wie kam es dazu, dass ihr euch speziell für diese Zeit entschieden habt? Ich kann mir vorstellen, dass alleine die Beschaffung authentischer Requisiten aus dieser Zeit eine gewisse Herausforderung war.

Konstantin:
Dafür gibt es zwei wesentliche Gründe. Zum einen mochten wir ganz allgemein die Ästhetik dieser Zeit und fanden, dass eine solche 70er Jahre-Welt sehr gut zum Sound des Lieds passt. Zum anderen war der Sprung in diese Zeit eine Art Hilfsgriff, weil wir nicht wollten, dass der Film wie eine Szene aus einer Tatort- oder CSI-Episode wirkt.

Jonas:
Das Video erinnert schon ein wenig an manche Tatort-Folgen – jedenfalls an die frühen Fälle der 70er und 80er Jahre.

Konstantin:
Stimmt, vor 40 Jahren sah der Tatort tatsächlich noch so aus. Die Visualität der damaligen Zeit wollten wir ja auch aufgreifen – allerdings nach heutigen Maßstäben und auf dem neuesten Stand der Filmtechnik.

Jonas:
Als ihr das Video Ende Januar veröffentlicht habt, habt ihr euch mit folgenden Worten an eure Fans gerichtet: „And now it’s up to you… What exactly happened here?? Put on the forensic glasses and let the investigation commence. You have to watch it at least 10 times to figure it out (or you’re a lot smarter than me).“ Die Story des Films lässt also bewusst offen, was vor Ort tatsächlich passiert ist. Kannst du die Lösung verraten?

Konstantin:
Ich bin mir nicht sicher, ob ich da der richtige Ansprechpartner bin beziehungsweise ob meine Interpretation wirklich eine korrekte ist. Wir haben im Team natürlich immer wieder darüber geredet, was letztendlich passiert sein könnte. Aber ich weiß nicht, ob ich das verraten will. Jeder kann und soll hier seine eigene Theorie aufstellen. Ich finde, dass gerade das die Stärke des Videos ist. Vielleicht muss man den Film einfach nur öfter anschauen und auf die Details achten. Von daher sag’ ich nix.

Jonas:
Vor drei Jahren hast du dich in einem Gespräch mit den Kollegen von „laut.de“ als „bodenständiger Schwabe“ bezeichnet. Ist diese Eigenschaft Grund der peniblen Qualität deiner Arbeit?

Konstantin:
Penible Qualität?

Jonas:
Ja, genau. Sowohl deine Songs als auch die dazugehörigen Videos wirken bis ins Detail ausgearbeitet und durchdacht. Penible Qualität eben.

Musik ist von Natur aus immer ein wenig uneindeutig – aber gerade das ist auch das Schöne daran. Beim Film ist das im Idealfall natürlich auch so.

Konstantin:
Lustig, dass du das sagst. Mit meiner Musik bin ich wirklich sehr penibel. Aber mit den Videos habe ich ja selbst nicht so viel zu tun. Um die Konzeption und Umsetzung kümmert sich – wie ich bereits erzählt habe – hauptsächlich Philipp… Aber der ist ja auch Schwabe. (Konstantin grinst)
Es ist schon so, dass ich jemand bin, der gerne alles kleinteilig durchplant. Ob das letztendlich etwas mit schwäbischer Bodenständigkeit zu tun hat, weiß ich nicht. Ich habe bei mir selbst eher das Gefühl, dass es sich um eine Eigenschaft handelt, die ich auch bei anderen Künstlern beobachten kann – vor allem bei Künstlern, die ich sehr beeindruckend und inspirierend finde. Eines meiner großen Vorbilder beispielsweise ist Stanley Kubrick. Von Kubrick weiß man, dass er auch alles penibel durchdacht und geplant hat.

Jonas:
Auf der Website der Bildundtonfabrik findet man ein interessantes Zitat von Kubrick: „If it can be written, or thought, it can be filmed.“ Glaubst du, dass das ebenso für Musik gilt? Kann alles, was geschrieben oder gedacht werden kann, auch musikalisch transportiert werden?

Konstantin (zögert einen Moment):
Im Prinzip schon, allerdings ist Musik von Natur aus immer ein wenig uneindeutig – aber gerade das ist auch das Schöne daran. Bei Musik ist einfach die emotionale Komponente, die einen gewissen Spielraum für Interpretationen lässt, besonders stark ausgeprägt. Beim Film ist das im Idealfall natürlich auch so. Bei Kubricks Werken etwa gab es nie diese absolute Eindeutigkeit. Bei der programmatischen Musik, die ich mache, versuche ich daher auch, die Inhalte musikalisch immer so umzusetzen, dass jeder darin seinen eigenen Raum für Interpretationen finden kann.

Jonas:
Die programmatische Grundlage deines neuen Albums „Love“ ist das Thema Liebe, das du in insgesamt elf Songs aus völlig unterschiedlichen Perspektiven betrachtest. Wie bist du zu diesen Perspektiven gekommen? Und warum sind es gerade elf geworden?

Konstantin:
Warum es gerade elf Songs geworden sind, kann ich nicht sagen. Das ist einfach so passiert. Und wie ich zu diesen Perspektiven gekommen bin – da bin ich auch nicht wirklich Herr der Lage. Ich denke einfach über irgendetwas nach und dann stellt sich eine bestimmte Perspektive ein.
Dazu muss ich sagen, dass die Platte gegenüber dem Thema Liebe eine eher kritische Haltung einnimmt, die ich selbst in meinem Privatleben gar nicht habe. Das liegt wahrscheinlich daran, dass ich während des Songschreibens wesentlich nachdenklicher und reflektierter bin als im Alltag. So kamen diese unterschiedlichen, extremen Perspektiven auf die Liebe einfach aus mir heraus – als beispielhafte Geschichten diverser Protagonisten, die in den wenigsten Fällen etwas mit mir persönlich zu tun haben.

Jonas:
Das heißt, wenn du einen Song schreibst, ist das so, als würdest du ein Drehbuch entwickeln?

Konstantin:
Ja, teilweise. Bei den Songs, deren Titel auf der neuen Platte mit „It’s …“ beginnt, handelt es sich in den meisten Fällen um fiktionale Geschichten und Charaktäre, die ich für das jeweilige Lied entwickelt habe. Das ist im Prinzip das Gleiche wie bei einem Drehbuch: Man denkt sich eine interessante Biografie aus und erschafft dazu einen passenden Protagonisten.
Daneben gibt es aber auch Texte, bei denen die Figuren nicht frei erfunden sind, sondern sich auf reale Persönlichkeiten beziehen. So geht es etwa in „I’m Painting Money“ um eine Künstlerin, die in der Realität tatsächlich existiert.

Jonas:
Gibt es auf dem neuen Album einen Song, der dir persönlich besonders am Herzen liegt?

Konstantin (überlegt eine Weile):
Das kann ich so nicht sagen. Auf der einen Seite gibt es auf der Platte Songs, zu denen ich inhaltlich einen gewissen Abstand habe, weil sie rein fiktiv sind. Auf der anderen Seite habe ich für „Love“ Stücke geschrieben, zu denen ich ein sehr persönliches Verhältnis habe. Zu diesen Liedern gehört beispielsweise „It’s An Airlift“ – ein Song, in dem es um mein Vatersein geht.

Wie jeder andere ernsthafte Künstler würde auch ich mir natürlich wünschen, dass man meine Musik als Full-Time-Job konsumiert und sie nicht einfach nur so nebenbei hört.

Jonas:
Bei deiner Musik hat man das Gefühl, dass man sich total darin verlieren kann – vorausgesetzt man nimmt sich dafür die Zeit. Leider wird Musik oft nur noch als Konsumgut wahrgenommen und nicht mehr als ein künstlerisches Werk. Musik muss man gut und schnell verdauen können. Und sie muss zur jeweiligen Alltagssituation passen: Ob im Büro, beim Shoppen, Putzen oder Lernen – es gibt scheinbar für alles die richtige Playlist bei Spotify & Co. Wie siehst du diese Entwicklung?

Konstantin:
Wie jeder andere ernsthafte Künstler würde auch ich mir natürlich wünschen, dass man meine Musik als Full-Time-Job konsumiert und sie nicht einfach nur so nebenbei hört. Aber das kann ich natürlich niemandem vorschreiben – mir selbst gelingt das ja auch nicht immer.
Wenn allerdings bei mir Musik eher nebenbei und im Hintergrund läuft, dauert es nicht lange, bis ich sie nicht mehr hören kann. Das kennt wahrscheinlich jeder: Man putzt das Bad, lässt dabei das Radio laufen und merkt plötzlich, dass die Musik, die da gespielt wird, einem total auf die Nerven geht.
Gerade das empfinde ich aber oft als ein gutes Zeichen. Es spricht meiner Meinung absolut für eine bestimmte Musik, wenn sie einfach nicht als Nebengedudel funktioniert, sondern man sich wirklich auf sie einlassen muss.

Jonas:
Gibt es ganz aktuell Musik, in der du dich selbst verlieren kannst?

Konstantin:
Na klar, da gibt es es viele Beispiele. Ich versuche grundsätzlich, Musik immer so zu hören, dass ich mich darin verlieren kann. Neulich bin ich durch Amsterdam geschlendert und habe die neue Dagobert-Platte gehört – von Anfang bis Ende. In dieser Musik kann ich mich emotional total verlieren, das ist wirklich großartig. Dagobert schreibt meiner Meinung nach gerade die besten Liebeslieder. Daneben höre ich relativ viel Klassik, schon alleine deshalb, weil ich dort für mich musikalisch sehr viel finde. Gerade mag ich aber auch die Popmusik der 80er. Talking Heads, Roxy Music – das sind ja auch Platten, für die man sich ein wenig anstrengen muss.

Jonas:
Deine Musik ist auch eine, mit der man sich gerne ausführlicher beschäftigt. Würdest du selbst von dir behaupten, dass du erfolgreich bist?

Konstantin:
Für mich persönlich gesprochen bin ich insofern erfolgreich, dass Musik machen mein Beruf ist und ich davon leben kann. Das finde ich schon irgendwie amazing. (Konstantin lacht)

Jonas:
Wie man so lesen kann, zählst du mittlerweile zu den erfolgreichsten Filmmusikern in Deutschland.

Konstantin (lacht):
Warum auch immer, das stimmt überhaupt nicht.

Jonas:
Es ist doch nichts Schlechtes, wenn man von so einem Positiv-Nimbus umgeben ist.

Konstantin:
Naja, was die Leute so schreiben…

Jonas:
So ganz abwegig ist das ja nicht. Ein Beispiel: Im letzten Jahr hast du den Soundtrack zur TV-Sendung „Schulz & Böhmermann“ geschrieben. Alleine der Titelsong „When You’re Near To Me“ wurde auf Spotify bisher 100.000 Mal abgespielt. Wie kam es zu der Zusammenarbeit mit Jan Böhmermann und Olli Schulz?

Konstantin:
Jan und Olli gehören ja zu dem Kreis an Kreativen, die um Philipp und die Bildundtonfabrik herumschwirren. Da ich schon den Soundtrack zum Vorgängerformat „Roche & Böhmermann“ sowie für die erste Staffel des „Neo Magazin“ geschrieben hatte, war es einfach naheliegend, dass ich mich auch an die Musik von „Schulz & Böhmermann“ setze. Wir haben ja alle irgendwie miteinander zu tun, diese vielen gemeinsamen Projekte sind einfach ein gegenseitiges Aushelfen.

Jonas:
Gab es für den Soundtrack bestimmte Vorgaben, an die du dich halten musstest?

Konstantin:
Bei der Vorgängersendung „Roche & Böhmermann“ gab es seinerzeit den Wunsch, dass der Titelsong auf der „Fuge in g-Moll (BWV 578)“ von Johann Sebastian Bach basieren und im Stil der „Swingle Singers“ – einem US-amerikanischen A-Capella-Oktett aus den 1960ern – interpretiert werden sollte. So eine konkrete Vorgabe gab es bei „Schulz & Böhmermann“ nicht mehr. Die Musik sollte sich einfach irgendwie an dem orientieren, was es davor schon gab. Dabei sollte es trotzdem anders und eigenständig sein. Dass die Titelmusik letztendlich so James Bond-artig wurde, liegt an Kat Frankie, der Singer-Songwriterin, mit der ich den Soundtrack gemeinsam produziert habe.

Jonas:
Ist es nicht interessant, dass es bestimmte musikalische Merkmale gibt, bei denen man sich sofort an bestimmte Filme erinnert fühlt?

Konstantin:
Ehrlich gesagt hatte ich überhaupt nicht darüber nachgedacht, dass da irgendeine Verbindung bestehen könnte. Erst als Kat mich darauf hingewiesen hat, ist es mir aufgefallen.

Es gibt eine ganz bestimmte Phase in meinem Beruf, in der ich immer wahnsinnig große Angst habe: Zwischen dem Tag, an dem ich ein Album fertigstelle, und dem Tag, an dem es veröffentlicht wird, liegen meine Nerven absolut blank.

Jonas:
Gegenüber den Kollegen von „laut.de“ hast du vor drei Jahren auch erwähnt, dass du bezüglich deiner musikalischen Zukunft nicht weißt, „wie lange das alles noch seine Relevanz hat“. Kannst du dir vorstellen, die Musik komplett fallen zu lassen und etwas ganz anderes zu machen?

Konstantin:
Es gibt eine ganz bestimmte Phase in meinem Beruf, in der ich immer wahnsinnig große Angst habe: Zwischen dem Tag, an dem ich ein Album fertigstelle, und dem Tag, an dem es veröffentlicht wird, liegen meine Nerven absolut blank. In dieser Phase schaue ich immer schon vorsorglich auf „ImmoScout“, ob irgendwo eine Kneipe leer steht, die ich übernehmen kann.
Ehrlich gesagt ist es aber schon so, dass ich gar nicht wüsste, was ich anderes machen sollte als Musik. Es ist eben nicht nur das, was ich am liebsten tue, sondern auch das Einzige, was ich wirklich kann. Daher ist meine momentane Berufssituation auch ein absolutes Traumszenario. Warum sollte ich das aufgeben – zumindest freiwillig?

Jonas:
Es gibt viele Künstler, die aus einem ganz normalen Leben ausgebrochen sind, um sich ganz alleine der Musik zu verschreiben und deshalb nicht selten am Existenzminimum leben. Du selbst bist dagegen in einem Elternhaus aufgewachsen, in dem Musik machen und Geld verdienen nicht unbedingt ein Widerspruch war – dein Vater hat als Musiklehrer gearbeitet. Hat diese Situation dir dabei geholfen, gar nicht infrage zu stellen, dass Musik etwas ist, von dem man in irgendeiner Art und Weise leben kann?

Konstantin:
Nein, überhaupt nicht. Ich habe nie ernsthaft in Erwägung gezogen, Berufsmusiker zu werden. Ich dachte, das sei unmöglich. Musik habe ich eher nebenbei gemacht, sowohl während meines Studiums an der Mannheimer Popakademie als auch an der Uni in Heidelberg, wo ich einige Semester Philosophie studiert habe. Auch als ich später nach Berlin gezogen bin und dort mein erstes Album veröffentlicht habe, habe ich mich sicherheitshalber wieder an einer Uni eingeschrieben. Ich hätte nie ohne irgendeinen Plan B alles auf eine Karte gesetzt und von Anfang an nur Musik gemacht. So bin ich einfach nicht drauf. Glücklicherweise hat sich im Laufe der Zeit das Ganze dann so gut entwickelt, dass ich für nichts anderes mehr Zeit hatte und irgendwann auch davon leben konnte.

Für mich bedeuten Landschaft, Wald und ein weiter Blick immer noch Idylle. Und irgendwie ist diese Idylle für mich schon immer ein Sehnsuchtsort gewesen.

Jonas:
Hast du es im Laufe deiner Musikerkarriere jemals als einen Nachteil empfunden, aus einer eher beschaulichen Ecke Deutschlands zu kommen und nicht in einer Metropole „am Puls der Zeit“ aufgewachsen zu sein?

Konstantin:
Das ist reine Geschmackssache. Ich persönlich empfinde das eher als Stärke. Für mich bedeuten Landschaft, Wald und ein weiter Blick immer noch Idylle. Und irgendwie ist diese Idylle für mich schon immer ein Sehnsuchtsort gewesen. Ich glaube, das kann man auch am Cover der neuen Platte ablesen. Wenn ich meine Musik so betrachte, weiß ich, dass es einfach keine Szenemusik, keine hippe Musik ist. Vielleicht liegt das tatsächlich daran, dass ich mit so etwas nicht aufgewachsen bin. Wer weiß. Bei uns gab’s und gibt’s halt keine Szene.
Ich muss gerade mal genau überlegen: Ich glaube, in meinem Freundeskreis gibt es auch fast niemanden, der in einer großen Stadt aufgewachsen ist. Da kommt nahezu jeder vom Dorf – maximal noch von so etwas wie Mannheim. Unser Tourmanager zum Beispiel lebt in Saarbrücken und kann sich nicht vorstellen, von dort wegzuziehen. Ganz im Gegenteil: Er findet es eher doof, dass jeder nach Berlin will. Dort in der Ecke herrscht halt einfach ein großer Lokalpatriotismus.

Jonas:
Es gibt dort ja auch gutes Wasser, gute Luft, …

Konstantin:
… und guten Wein. Ich sehe das mittlerweile ähnlich. Ich würde zwar nicht wieder voll auf’s platte Land ziehen wollen, aber irgendwie weiß man es dort schon zu schätzen, dass man dort einfach Platz hat.

Jonas:
Wirklich lange hat es dich in Berlin ja auch nicht gehalten: Vor einigen Jahren bist du zurück nach Mannheim gezogen. Hat dich die Stadt genervt?

Konstantin:
Nö, eigentlich nicht. Mich nerven zwar schon einige Dinge an Berlin, aber das sind Kleinigkeiten. Ich war und bin immer wieder gerne hier. Mich hat es damals einfach aus privaten Gründen an einen anderen Ort verschlagen.

Jonas:
Wegen der Liebe also.

Konstantin:
Wegen der Liebe, ja. Letztendlich schon.